Verlagsgeschichte

1996 Am Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg geben Ingo Držečnik (*1971) und Roman Pliske (*1970) die Literaturzeitschrift metamorphosen heraus, in der neben Buch- und Filmbesprechungen, Aufsätze zu Literatur, Kunst und Kultur sowie regionaler Kulturberichterstattung auch Erstveröffentlichungen junger Talente erscheinen. Bei ihrer Arbeit lernen sie den Lyriker Andreas Holschuh kennen, dessen Gedichte Unterderhand sie sofort begeistern und der eigentliche Anlass für die Verlagsgründung werden. Sie verkaufen kurzerhand ihre Autos, gehen auf die Suche nach einer bezahlbaren Druckerei und finden diese im tschechischen Klatovy, unweit der bayerischen Grenze. Das erste Buch der neuen Reihe »Edition Lyrik der Jahrtausendwende« erscheint als Hardcover mit Schutzumschlag und farbig bedrucktem Vorsatz und setzt damit einen ersten ästhetischen Maßstab für die bald in rascher Folge erscheinenden Elfenbein-Bücher. Um weiter Kosten zu sparen, begeben sich die Verleger auf abenteuerliche Tschechienfahrten, wo sie die fertig gedruckten und gebundenen Bücher selbst kontrollieren und abholen sowie mit Zöllnern über Einfuhrumsatzsteuern und »pornografische Inhalte« verhandeln.
Noch arbeitet der Verlag in Privaträumen und hauptsächlich auf Kommissionsbasis: Die Verleger liefern ihre Bücher selbst an die regionalen Sortimenter und rechnen erst nach Verkauf mit dem Buchhändlern ab.

1997 Auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert der Elfenbein Verlag an seinem Stand zum Themenschwerpunkt Portugal den Gedichtband Canções – Lieder von Antònio Botto mit einem Essay von Fernando Pessoa, den Erzählband Das Haus am Rande des Dorfes des jungen Schriftstellers José Riço Direitinho sowie sieben weitere Titel aus den Bereichen deutsche Prosa und Lyrik. Die Bücher finden schon in den Buchmessebeilagen große Beachtung in der überregionalen Presse und machen den Verlag bald zum Tipp für zeitgenössische und klassische portugiesische Literatur. Mit Riço Direitinhos Erzählband wird ein Elfenbein-Buch von Wilfried Schoeller erstmals im Fernsehen vorgestellt. Autorenlesungen werden nun zum festen Bestandteil des Verlagsbetriebs. Die Bestellungen nehmen auch aufgrund des Aufbaus einer eigenen Internetpräsenz deutlich zu.
8 Titel sind mittlerweile lieferbar. Noch immer lagern die Bücher im Schlafzimmer unter den Betten und werden aufwändig selbst versendet.

1998 Zum 70. Todestag stellt der Verlag den ersten Band einer auf 8 Bände angelegten Werkausgabe des expressionistischen Lyrikers, Dramatikers und Erzählers Klabund (i.e. Alfred Henschke) unter der Herausgeberschaft von Ralf Georg Bogner (Rostock), Joachim Grage (Göttingen), Julian Paulus (Heidelberg) und Christian v. Zimmermann (Bern) vor. Die Presse ist begeistert, da dieses Unternehmen die erste vollständige Zusammenstellung der zu Lebzeiten Klabunds erschienenen Texte bietet, und urteilt: »Es spricht in der Tat vieles dafür, Klabund neu zu entdecken« (Wolfgang Neuber, »Frankfurter Rundschau«). Die Folgebände erscheinen bis 2002 in halbjährlichem Turnus. Zum ersten Mal bietet der Verlag eine Subskriptionsmöglichkeit an, die in nur wenigen Monaten die Finanzierung der Klabund-Herausgabe sichert. Der Verlag nimmt den Erfolg der Ausgabe zum Anlass, im Bereich der Literarischen Moderne weitere zu Unrecht vergessene Autoren wiederzuentdecken. Im Frühjahr 1999 erscheinen dann Hanns von Gumppenbergs Lyrikparodien auf seine Zeitgenossen: Das Teutsche Dichterroß. In allen Gangarten vorgeritten, in einer von Robert Seidel besorgten Ausgabe mit Aufschlüsselung sämtlicher Gedichtvorlagen.
Die Zahl der lieferbaren Titel ist mittlerweile auf 13 angestiegen und erfordert den Umzug des Verlags aus den privaten Räumlichkeiten in die Friedrichstraße, in unmittelbare Nachbarschaft zur Heidelberger Fußgängerzone: Ein ehemaliges Tankstellenwärterhäuschen mit eigener Toilette ist nun der neue Verlagssitz.
In der Heidelberger Altstadt werden die Verleger nun als »die zwei von der Tankstelle« bezeichnet. Nicole Grabert wird Verlagsvertreterin und reist fortan zweimal jährlich vor den Messen in Leipzig und Frankfurt durch die Buchhandlungen in Deutschland und bewirbt das Programm. Diese Professionalisierung im Bereich Außendienst zieht auch eine Verbesserung des Vertriebs nach sich: Mit der Gemeinsamen Verlagsauslieferung (GVA) in Göttingen, wo Leonore Frester, Jutta Krause, Karl Klaus Rabe und Rainer Papp die Fäden zusammenhalten, hat der aufstrebende Kleinverlag den idealen Partner gefunden.  

1999 Rechtzeitig zur 500. Wiederkehr der Entdeckung des Seewegs nach Indien durch Vasco da Gama erscheint erstmals nach über 100 Jahren eine neue vollständige Übersetzung der Lusiaden von Luís de Camões: von Hanns-Joachim Schaeffer kongenial verdeutscht, in einer großformatigen, bibliophil gestalteten zweisprachigen Ausgabe. Hans Ulrich Gumbrecht lobt die Übersetzung in der »Frankfurter Allgemeinen« als »wunderbar präzise«, Hans-Jürgen Schmitt (»Frankfurter Rundschau«) findet die Ausgabe »fabelhaft schön und gründlich kommentiert«.
Egon Bondys Roman Die invaliden Geschwister eröffnet eine neue Reihe mit tschechischer Gegenwartsliteratur im Elfenbein Verlag – der im slowakischen »Exil« lebende Autor wird zu Lesungen nach Berlin und Köln eingeladen und sieht sich einem begeisterten Publikum gegenüber.
Mit Beat Eberle und der schweizerischen »AVA – Buch 2000« arbeitet der Elfenbein Verlag fortan mit einem weiteren erfahrenen Vertreter und einer soliden Auslieferung im südlichen Nachbarland zusammen. Die Zahl der lieferbaren Titel ist auf 20 angestiegen.
Im Elfenbein Verlagshaus wohnen nun gut ein Dutzend freie Mitarbeiter: Sven Limbeck und Rafael Arnold verantworten das portugiesische Lektorat, Sabine Franke, Volker Doberstein und Ralf Georg Bogner unterstützen das deutsche Lektorat, Oda Ruthe ist (im wahrsten Sinne) federführend für den grafischen Auftritt des Verlags, und Andrea König bringt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit auf Vorderfrau. Dazu kommen jede Menge engagierte Übersetzer, Herausgeber, Lektoren und gute Seelen ...  

2000 Mit Ulrich Holbeins umfangreichem Zitatenroman Isis entschleiert, für den Werner Fuld im »Focus« eine Empfehlung ausspricht und über den Johannes Salzwedel eine ganze Seite im »Spiegel« schreibt, holt der Elfenbein Verlag einen der wichtigsten und eigenwilligsten Schriftsteller in sein Programm deutschsprachiger Autoren. Innerhalb kurzer Zeit ist das Buch vergriffen und die zweite Auflage schon im Druck. Ein verdienter Erfolg: Drei Monate wurden an diesem Kunstwerk des Buchsatzes alleine in die Gestaltung investiert, alle Satz- und Bildarbeiten im Hause selbst realisiert. Da nun eine Mitarbeiterin und Praktikanten die Verleger tatkräftig unterstützen, wird das Tankstellenhäuschen nun doch zu eng: Elfenbein zieht in ein solides Büro an der gleichen Adresse – der Aufstieg von ebenerdiger, fußkalter Lagerraumatmosphäre ins Hochparterre eines Altbaus ist vollbracht.
Ein neuer Roman von José Riço Direitinho: Kerker der Engel erscheint, seine Erzählungen Das Haus am Rande des Dorfes gehen in die 2. Auflage, und der Autor wird auf Lesungen nach Deutschland eingeladen. Mit Maria Jaéns Roman Die verschwiegene Frau startet eine neue Reihe mit zeitgenössischen katalanischen Autoren im Elfenbein Verlag: Erstmals kann eine größere Lesereise organisiert werden, die die Autorin von Berlin über München, Nürnberg, Heidelberg nach Köln führt.
Christopher Krause wird zusätzlicher Verlagsvertreter und teilt sich mit Nicole Grabert das Vertretungsgebiet Deutschland: Er bereist fortan den Norden, Nicole Grabert den Süden, die Berliner Buchhandlungen besuchen beide zusammen.
Mit Seth Meyer-Bruhns wird schließlich das Vertreterquartett vollzählig und auch endlich der österreichische Buchhandel mit den Titeln aus dem Hause Elfenbein versorgt.
27 Titel sind bisher erschienen und alle weiterhin lieferbar.  

2001 Ein neuerlicher Umzug ist beschlossene Sache, soll der Absprung aus der Heidelberger Idylle hinein ins Großstadtleben doch bald vollzogen werden – da muss schon vorzeitig das Hochparterre geräumt werden. Der Verlag zieht als Untermieter vorübergehend ein paar Meter weiter in die Landfriedstraße, wo er in einem Zimmer einer feudalen Gründerzeitwohnung für 6 Monate sein Domizil hat.
Erstmals nimmt der Verlag nun auch an der Leipziger Buchmesse im Frühjahr mit einem eigenen Stand teil und knüpft weitere wertvolle Kontakte zu Journalisten und Buchhändlern. Auf der Messe lesen die Elfenbein-Autoren Gregor Eisenhauer und Helmut Pöll aus ihren neuen Büchern.
Zum Themenschwerpunkt Griechenland auf der Frankfurter Buchmesse legt der Verlag eine von Günter Dietz vollständig durchgesehene und mit Anhang versehene Übersetzung von Odysseas Elytis' Hauptwerk To Axion Esti – Gepriesen Sei vor – in einer großformatigen zweisprachigen Ausgabe, die, kaum erschienen, schon in die 2. Auflage geht. Auch hier eine nette Anekdote: Bei der Suche nach dem nur dem Namen nach bekannten Übersetzer kontaktierten die Verleger die Telefonauskunft, die gut 150 Namensvettern auflistete. Der erste Anruf brachte schon den Erfolg: Günter Dietz wurde von seiner wenig überraschten Frau nur einen Stadtteil entfernt ans Telefon geholt ...
Der Verlag weitet sein Programm auf die zeitgenössische griechische Literatur aus und veröffentlicht Alexander Adamopoulos' Prosaband Zwölf und eine Lüge. In der Reihe Literarische Moderne gibt Angela Reinthal zusammen mit Dierk Hoffmann das Jugendwerk des Protoexpressionisten Paul Leppin, Daniel Jesus, neu heraus, dessen »schöne, bibliophile Neuausgabe« die »Neue Zürcher Zeitung« lobt.
Nach der Buchmesse bereiten sich die Verleger auf den lange geplanten Umzug nach Berlin vor, der im November schließlich durchgeführt wird.
Lieferbare Titel: 42.  

2002 Der Verlag arbeitet nun in drei Räumen im 2. Quergebäude einer ehemaligen Brotfabrik am Prenzlauer Berg. »Hoch hinaus« war das Ziel, und hoch liegt nun auch das Büro: in der 3. Etage mit herrlichem Blick in einen typischen, an Vorwende-Zeiten erinnernden Berliner Innenhof. Rote Backsteinmauern und ein denkmalgeschützer Schornstein verbreiten Charme, mittags ist die Traditions-Imbissbude »Konnopke« nur einen Steinwurf weit entfernt. Gewissermaßen als »Einstand« präsentiert der Verlag eine Neuausgabe des Romans Fertig mit Berlin? von Peter de Mendelssohn, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Katharina Rutschky. Steffen Martus (Berliner Zeitung) sieht in diesem Jugendwerk Mendelssohns einen »Pop-Roman der Generation Berlin in der Weimarer Republik«. Berlin zeigt sich als richtige Wahl für einen jungen und neugierigen Verlag: Lesungen verschiedener Autoren im Tschechischen Zentrum, im Salon Britta Gansebohm im Podewil, in der LiteraturWerkstatt sowie im Literaturhaus können vereinbart werden und ziehen reges Interesse und Besprechungen nach sich.
Pünktlich zum 200. Geburtstag Victor Hugos erscheint 1848 – Ein Revolutionsjournal, herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Jörg W. Rademacher, dem Gregor Dotzauer im »Tagesspiegel« bescheinigt, es sei »lebendiger zu lesen als mancher dickleibig dahintreibende Roman«. Auf der Präsentation der französischen Botschaft in der Maison de France nehmen die Verleger ersten Kontakt mit dem diplomatischen Parkett der Hauptstadt auf, das gar nicht rutschig scheint.
Bis Ende Juni 2002 sind 50 Titel erschienen — alle weiterhin lieferbar.

2003 So langsam wird der Elfenbein Verlag eine echte Berliner Pflanze. Zum einen fühlt man sich wohl in einer Stadt, die sich mit Paradiesvögeln wie Nicolaus Sombart schmücken kann: Sein hochamüsantes und indiskretes Journal intime 1982/83 kommt im Mai heraus und wird der erste Bestseller des Verlags. Knapp 50 Besprechungen, auch im Radio und im Fernsehen, tragen zur Verbreitung bei, eine exklusive Lesung im berühmten Etablissement »Petit Chalet« wird der Höhepunkt in Sombarts 80. Geburtsjahr. Des Weiteren ist nun die Klabund-Werkausgabe im 75. Todesjahr des Dichters mit dem Band 8: Aufsätze und verstreute Prosa abgeschlossen. Damit wurde der Beweis erbracht, dass ein Verlag durchaus auch ohne Zuschüsse eine umfangreiche und sorgfältig edierte Werkausgabe im Zeitplan realisieren kann.
Natürlich sind große Leistungen nicht auf dem Mist zweier Verleger gewachsen. So wie bei Klabund vier Herausgeber und zahlreiche Mitarbeiter tätig waren, so verband auch bei der Wiederentdeckung des Schriftstellers Anton Schnack ein neues Familienmitglied Elfenbeins, Hartmut Vollmer, seinen Fleiß und sein enormes Wissen zu einer wohlfeilen Ausgabe der Werke in zwei Bänden. Die Feier von Schnacks 100. Geburtstag in dessen Heimatstadt Kahl wurde zu einem Fest mit Wein, Freunden und Gedichten.
Die Erfolge nehmen in diesem Jahr fast überhand: Unser Autor Rainer Kloubert landet mit seiner Businessnovelle Der Quereinsteiger einen echten Überraschungscoup, der sogar im »Manager Magazin« gewürdigt wird: »Eine Sensation [...] ein Lehrstück über deutsche Manager im Ausland [...] ein brisantes Werk.« Innerhalb von einer Woche ist die erste Auflage verkauft, und kaum ist die zweite gedruckt, muss schon an eine dritte gedacht werden, da jene komplett vorgemerkt wurde …
Und noch eine besonders schöne Perle: Der durch einen langwierigen Gerichtsprozess gebeutelte Autor Alban Nikolai Herbst (»Meere«) veröffentlicht seine poetologische Verteidigungsrede bei Elfenbein: Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen.
Ende des Jahres blickt der Verlag auf sein erfolgreichstes Geschäftsjahr zurück und gleich darauf wieder in die Zukunft. Bis Ende 2003 sind 60 Titel erschienen.

2004 Mit Gregor Eisenhauers biografischem Essay über Franz Blei startet im neuen Jahr auch eine neue Reihe: »Profile der Avantgarde«, in der unterschiedlichste Zugänge zu Schriftstellern und ihren Werken ermöglicht werden sollen. Das Regal mit portugiesischen Autoren erhält Zuwachs durch einen weiteren zentralen Roman José Régios: Der Prinz mit den Eselsohren, einer schonungslosen Gesellschaftssatire über Schein und Sein, und mit Peter Gilberts Roman In einem dunklen Wald bekommt auch die englischsprachige Underachiever-Literatur einen Ankerplatz im Elfenbein-Hafen. Ebenso Neuland wird betreten bei der Publikation des Romandebüts von »Berlins neuer Luder-Literatin« (B.Z.) Nina Bentz, Liebe ist das Letzte, von dem Taschenbuchrechte an Goldmann verkauft werden können. Mit einer weiteren Werkausgabe expressionistischer Dichtung in der Herausgeberschaft Hartmut Vollmers, dem Band »Ich wünsche zu sein, was mich entflammt« der fränkischen, viel zu jung gestorbenen Dichterin Maria Luise Weissmann, wird auch die Reihe der Wiederentdeckungen aus dem Bereich der literarischen Moderne weitergeführt.
Das Jahr bedeutet für die Verleger, die bis dahin inhaltlich alles gemeinsam entschieden haben, eine deutliche Zäsur, da sie beide begreifen, dass mit ihrem Programm nicht nur kein Staat zu machen ist, sondern nicht einmal zwei Menschen zu ernähren, geschweige denn zwei Familien. Roman Pliske entscheidet sich, ein großartiges Angebot nicht auszuschlagen und ab sofort die Geschäftsführung des Mitteldeutschen Verlags in Halle (Saale) zu übernehmen. Ingo Držečnik, der die Geschäfte weiterführen will, beißt in den nicht nur sauren Apfel eines Brotberufs, der auch Elfenbein ein sicheres Standbein bietet.

2005 Der Anagramm-Künstler Stephan Krass legt ein zweites, an der Kabbala geschultes Wunderbuch, diesmal mit »gewichteten Gedichten« vor: Lichtbesen aus Blei, mit dem der Autor erneut auf die SWR-Bestenliste gewählt wird. Mit Guido Gozzanos Briefen aus Indien, die unter dem Titel Reise zur Wiege der Menschheit veröffentlicht werden, eröffnet Elfenbein auch eine Abteilung mit italienischer Literatur und mausert sich langsam zu einem internationalen Vollprogramm, in dem natürlich auch der Franzose Marcel Schwob — hierzulande nur noch wegen seiner »Imaginären Lebensläufe« halbwegs bekannt — mit seinem bislang nie übersetzten Erzählband Das gespaltene Herz nicht fehlen darf. Gernot Krämers Übersetzung wird vom Feuilleton einhellig positiv aufgenommen und gelangt, kaum erschienen, auch schon in eine zweite Auflage. Auch die Publikation Ausgewählter Gedichte der Norwegerin Inger Hagerup schärft das neue, internationalere Profil des Verlags. Ralph Roger Glöckler schließlich, von dem bereits ein Gedichtband in der Reihe »Lyrik der Jahrtausendwende« vorliegt, kann mit seiner »Azoren-Utopie« Corvo den zweiten Band einer Trilogie vorlegen, die er 1997 bei Klett-Cotta mit der Erzählung »Vulkanische Reise« begonnen hat.

2006 Wir können nun auf 10 Jahre Elfenbein zurückblicken, in denen über achtzig Titel erschienen sind. Im Jubiläumsjahr kommt u. a. der französische Zeitgenosse unseres großen Portugiesen Camões gewissermaßen folgerichtig auch hierher ins Elfenbein-Kontor: Pierre de Ronsards Amoren für Cassandre, sein erstes Buch mit Liebessonetten, erscheint erstmals — wir hatten das auch nicht für möglich gehalten — in deutscher Übersetzung von Georg Holzer, herausgegeben von Carolin Fischer. Werner von Koppenfels (Frankfurter Allgemeine Zeitung) nennt Elfenbein daraufhin einen »mutigen Kleinverlag« und Jan Wagner (Frankfurter Rundschau) Holzers Übersetzung als »ein Projekt, das beeindrucken muss«. Jetzt wagt man auch einen literarischen Blick über den Atlantik und bringt eine Auswahl der Gedichte des anglokanadischen Dichters Louis Dudek in Christian Filips’ und Joachim Sartorius’ Übersetzung heraus: For you, you — Für Dich, Dir.

2007 Gastland der Frankfurter Buchmesse ist diesmal Katalonien, und Elfenbein bringt gleich zwei Titel zum Thema: Aus dem großen Barcelona-Roman Privatsachen von Josep Maria de Sagarra, »einer Art katalanischer Buddenbrooks« (Kersten Knipp, Neue Zürcher Zeitung), liest Ilja Richter vor gebanntem und amüsiertem Publikum im Frankfurter Literaturhaus — allerdings leider nur aus dem Übersetzungstyposkript von Manuel Monge Fidalgo und Sven Limbeck, denn diesmal hat es nicht pünktlich zum Messestart klappen wollen. Diese Erfahrung, Rezensionen zu ernten und zum Termin »nicht lieferbar« zu sein, ist neu und lehrreich — aber auch kein Beinbruch, denn die Besteller sind bereit zu warten, und so wird dieser Klassiker der katalanischen Prosa ein Verkaufserfolg, der im kommenden Jahr noch zu einer ganzen Lesereise mit dem Schauspieler Burkhart Siedhoff führen soll. Der junge Lyriker Manuel Forcano besucht im Rahmen des Gastlandauftritts Frankfurt und liest dort aus dem zweisprachigen Gedichtband El tren de Bagdad — Der Zug nach Bagdad. Des Weiteren erscheinen u. a. Sämtliche Gedichte von Luís de Camões, der zweite, natürlich wieder zweisprachige, Band der projektierten Werkausgabe des größten portugiesischen Renaissancepoeten: Hans Joachim Schaeffer hat das monumentale Œuvre verdeutscht, Rafael Arnold bearbeitet und klug annotiert.
Und ein neuerlicher Umzug steht an, da es in der Pappellallee hineinregnet und der Vermieter das Dach einfach nicht abdichten mag. So verbindet man die Not mit dem ohnehin schon lange gehegten Wunsch, die zwar schönen, aber recht versteckten Büroräume im 3. Obergeschoss des 2. Quergebäudes der ehemaligen Hutfabrik gegen eine Verlagsbuchhandlung in der Gaudystraße 8 zu tauschen, die kaum kostspieliger ist, dafür durch den Straßenanschluss täglich Kundschaft verspricht. Mit einem rauschenden Verlagsfest, anlässlich dessen Rainer Stolz’ Gedichtband Während mich die Stadt erfindet vorgestellt wird, weiht man die »Elfenbein Literaturhandung« ein und beginnt eine neue Lesereihe unter dem Titel »Böhmische Dörfer«.

2008 Mit Isabelle Azoulays literarischem Debüt De Gaulle und ich, einer die sephardische Herkunft ihres Vaters behandelnden »Geschichte aus Casablanca«, Rainer Klouberts Angestellten, einem weiteren Roman über deutsche Manager in Fernost, Ralph Roger Glöcklers Vulkanischer Reise, einer Neuauflage des ersten Teils seiner Azorentrilogie, sowie dem Berlin-Roman U5 des Luxemburgers Pol Sax ist das diesjährige Programm schwerlastig deutschsprachig. Letzterer beschert dem Verlag nicht nur in Berlin eine große Aufmerksamkeit, sondern vor allem auch in der Heimat des Autors, wo überhaupt zum allerersten Mal der Literaturpreis »Prix Servais« an einen Schriftsteller verliehen wird, der weder auf Lëtzebuergesch noch über Belange unseres großherzoglichen Nachbarlands schreibt. So jubelt man auch dort, dass der Preisstifter einen Blick über den Tellerrand der Regionalliteratur gewagt hat. Das Buch verkauft sich in der Folge so gut, dass es nicht nur Nachauflagen gibt, sondern schon bald auch eine Taschenbuchausgabe und es zum Gegenstand des Deutschunterrichts wird. Ein zweiter Roman von P. Howard (i. e. Jenő Rejtő): Ein Seemann und ein Gentleman sowie der zweisprachige Gedichtband Autobiografia Cautelar — Einstweilige Autobiografie des Portugiesen Paulo Teixeira, der im Rahmen eines DAAD-Stipendiums ein Jahr lang in Berlin leben und schreiben kann, runden das Programm ab.
Und Georg Holzer, der Übersetzer von Pierre de Ronsards Amoren für Cassandre, kann in der Französischen Botschaft den André-Gide-Preis für literarische Übersetzungen entgegennehmen.

2009 Der Erfolg mit Pol Sax’ Berlin-Roman führt unweigerlich zum zweiten Versuch, der zugleich Isabelle Azoulays zweite Erzählung darstellt: Josty. Eine Liebe zwischen Berlin und Sils Maria. Die Autorin hat — ausgehend von der Frage, warum ein junger Mann aus dem Engadin am Ende des 18. Jahrhunderts seine von größter Not geprägte Heimat nicht wie praktisch alle andern Schweizer Auswanderer in Richtung Süden, nach Italien, verließ, sondern ausgerechnet nach Berlin ging, um dort als Zuckerbäcker zu arbeiten — in Archiven nach Zeugnissen über eben jenen Johann Josty, den Begründer des legendären Kaffeehauses, gesucht und eine fiktive Biografie geschrieben, in der Berlin und die Schweiz, Aufklärung und Reaktion, Judentum und Christentum, Migration und Stagnation — und nicht zuletzt die Liebe zentrale Themen darstellen. Auch dieser Titel wird im Berliner Buchhandel ein voller Erfolg, und in Sils Maria, wo Jostys Geburtshaus steht, verkauft es sich praktisch wie geschnitten Brot.
Das diesjährige Gastland der Frankfurter Buchmesse, China, begleitet der Verlag mit einem neuen, in Shanghais internationalem Stadtviertel um 1900 angesiedelten Roman von Rainer Kloubert: Roons letzter Flug sowie mit einer bibliophilen Ausgabe von Klabunds Nachdichtungen chinesischer Kriegslyrik — die natürlich den expressionistischen Kriegsgegner zeigen: Dumpfe Trommel und berauschtes Gong. Und schließlich wird die Abteilung mit griechischen Klassikern um einen Band mit dem zentralen lyrischen Werk von Jannis Ritsos: Martyríes — Zeugenaussagen in der Übersetzung von Günter Dietz und Andrea Schellinger bereichert.

2010 Was an Isabelle Azoulay, Rainer Kloubert, Klaus Rainer Goll und auch Ralph Roger Glöckler über die Jahre natürlich auch ablesbar ist, zeigt sich heuer am gesamten Programm: Elfenbeins Anspruch, auch eine gewisse »Autorenpflege« zu betreiben. So investiert man in einen neuen, außergewöhnlichen, durchgehend vierfarbigen, rein auf Autobiografischem beruhenden Bildband mit 111 immer wieder mitten im Satz abbrechenden Werkanfängen Ulrich Holbeins: Bitte umblättern!, der auch prompt auf die Hotlist 2010 gewählt wird. Bei der Siegerkür zuckt der Verleger einen Bruchteil einer Sekunde zusammen, als es heißt: »And the winner is: Ulri— —«, aber er heißt dann, absolument verdient! — Ulrike Almuth-Sandig und eben nicht Ulrich Holbein. Das Buch liegt, dank der Hotlist-Werbemaßnahmen auch in vielen großen Buchhandlungen auf dem Tisch mit den Nominierten und beschert bei Zufallsbesuchen zahlreiche unvorhergesehene Glücksmomente.
Ein zweiter Band mit Liebesgedichten von Pierre de Ronsard: Amoren für Marie sowie ein dritter mit genialischer Wortakrobatik von Stephan Krass: Das Konzil der Planeten gehören ebenso zum Jahresprogramm.

2011 Im zehnten Todesjahr Einar Schleefs, in dem sich zugleich der Bau der Berliner Mauer zum fünfzigsten Mal jährt, bringt Elfenbein auf Anregung Hans-Ulrich Müller-Schwefes einen Text-Foto-Band eines der vielseitigsten und begabtesten Gegenwartskünstler unter dem Titel »Ich habe kein Deutschland gefunden«. Die »Bamberger Elegien« von Alban Nikolai Herbst: Das bleibende Thier und das Debüt des jungen Berliners Tobias Herold — zugleich der zehnte und letzte Band in der Reihe »Lyrik der Jahrtausendwende«, mit der alles 1996 einmal begann — vergrößern das Regal mit deutschsprachigen Gedichtbänden. Die Roman-Utopie Adieu, Jeanne oder Die zweite Chance der Jungfrau des tschechischen Schriftstellers Ferdinand Peroutka, der Erzählband Ottakringer Sterbensläufte mit zwei bösen »Wiener Geschichten« von Ralf Georg Bogner und ein weiterer Band in der Reihe »Profile der Avantgarde«, der Essay über Franz Kafkas Prozess-Roman: »Maskeraden des Auslands« von Wiebrecht Ries, gehören ebenso zum diesjährigen Programm wie der großformatige, mit zahlreichen Abbildungen versehene, lexikonartig aufgemachte erste Teil einer ganz besonderen China-Trilogie von Rainer Kloubert: Peitaiho. Das Biarritz des Gelben Meeres dient hier als Dreh- und Angelpunkt zum Verständnis der Geschichte Chinas zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Auch an der Leipziger Buchmesse nimmt man — nach längerer Pause — wieder teil und veranstaltet Lesungen mit Alban Nikolai Herbst und Ulrich Holbein sowie aus Einar Schleefs und Ferdinand Peroutkas Büchern auf dem Messegelände, im Gohliser Schlösschen und in der alten Baumwollspinnerei.

2012 800 Jahre nach der historisch belegbaren, noch immer aber recht ungeklärten Fahrt hunderter Jugendlicher aus Frankreich und Deutschland nach Italien mit dem Ziel Jerusalem, der aber nur in Tod und Sklaverei führte, übernimmt der Elfenbein Verlag die erstmals 1914 im Kurt Wolff Verlag in der Reihe »Der jüngste Tag« erschienene Übersetzung von Marcel Schwobs Erzählband Der Kinderkreuzzug. Zudem erscheinen ein dritter der zahlreichen Abenteuergrotesken P. Howards (i. e. Jenő Rejtő): Ein Seemann in der Fremdenlegion, ein Roman von Ralph Roger Glöckler über den amerikanischen Komponisten Charles Ives in vier verschiedenen Erzählperspektiven: Mr. Ives und die Vettern vierten Grades sowie, als Supplementband zur achtbändigen Klabund-Werkausgabe, die zwischen 1998 und 2003 erschienen ist, auch die damals vom Feuilleton zu Recht angemahnte, weil zunächst gar nicht projektierte, Literaturgeschichte des expressionistischen Autors, die von Volker Weidermann in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung als »eines der sympathischsten, klügsten, menschenfreundlichsten, weisesten, widersprüchlichsten, literaturenthusiastischsten Bücher über die Literatur, die es gibt« bezeichnet wird und dem Verlag zu Weihnachten eine zweite Auflage beschert.
Mit dem Kasseler »Preis für grotesken Humor« wird heuer zudem Ulrich Holbein geehrt.

2013 Ein weiteres Projekt, das durch die Freundschaft mit Hans-Ulrich Müller-Schwefe entstehen kann, ist Gabriele d’Annunzios Gedichtzyklus Alcyone, der schon einige Jahre, zur Hälfte übersetzt, auf Publikation wartet und jetzt, im Jahr des 150. Geburtstags desjenigen Dichters, dessen militärische Aktionen am Ende des Ersten Weltkriegs als Vorbild für Mussolinis Fachismus dienten, seinen Weg zu Elfenbein findet. Ernst-Jürgen Dreyer ist bereit, mit seiner Frau Geraldine Gabor den noch nicht beendeten Zyklus abzuschließen — die plötzliche schwere Erkrankung Dreyers und sein unerwarteter Tod aber verhindern dies zunächst. Hans Krieger (dessen Übersetzung der Gedichte Marceline Desbordes-Valmores in der Vergangenheit beinahe zu Elfenbein gewandert wäre, dann anderswo veröffentlicht wurde, später aber doch noch hierher finden wird), springt ein, und so entsteht eine viel gelobte, in klassischer Ausstattung auf schönsten Fedrigoni-Materialien gedruckte zweisprachige Ausgabe des Gipfelwerks der italienischen Lyrik zu Beginn des letzten Jahrhunderts.
Rainer Kloubert hat weiter an seiner China-Trilogie gearbeitet und legt den zweiten Band vor, in dem es um die Zerstörung des Alten Sommerpalasts in Peking geht: Yuanmingyuan. Zur Buchmesse jubelt Jürgen Osterhammel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Klouberts Projekt: Es sei »Pioniertat und Lesegenuss«! Mit Christoph Klimkes Reisegedichtband Fernweh gewinnt der Verlag einen durch die Inszenierungen Johann Kresniks renommierten Librettisten und Lyriker; Florian Bergmeier, der nach seinem Romandebüt im Elfenbein Verlag zwischenzeitlich als Übersetzer tätig war und seinen zweiten Roman anderswo veröffentlichte, kehrt mit seinem dritten, verstörenden Buch über gesellschaftliche Zustände, Wo all das hier nicht ist, zurück und erntet großes Lob im »Stern« — und in der Folge viele Leser; und mit dem Abschluss von Alban Nikolai Herbsts 1998 bei Rowohlt begonnenem »Anderswelt«-Dreiteiler, kann der Elfenbein Verlag sich mit Fug und Recht Verlag der Trilogien nennen: Argo. Anderswelt wird zudem im Regal nicht alleine stehen, die beiden Vorgängerromane übernimmt der Verlag auch in sein Programm und hält das Gesamtprojekt damit an einem Ort lieferbar. Um auf das Werk Luís de Camões’ aufmerksam zu machen, das seit 1999 hier erscheint (und natürlich eine Trilogie ergeben muss!), entschließt man sich, einen zweisprachigen, preislich wohlfeilen Band mit einer Auswahl von Übersetzungen aus vier Jahrhunderten vorzulegen, dessen Titel Com que voz? Mit welcher Stimme? natürlich auch auf das Problem von Übersetzungen generell anspielt. Mit der Präsentation dieses Bandes, in dem das 80. Sonett auch in schwäbischer Mundart enthalten ist, durch den Herausgeber Rafael Arnold in der Elfenbein Literaturhandlung wird die Lesereihe »Böhmische Dörfer« beschlossen.

2014 Nach sieben (zugegeben: ein wenig verflixten) Jahren soll nun genug sein mit der »Elfenbein Literaturhandlung« — letztlich hat es sogar in Prenzlauer Berg (wer hätte es gedacht?) doch zu wenig Kunden für ein Ladengeschäft ausschließlich mit Büchern kleinerer, feiner Verlage gegeben. Die Büroräume mit Straßenanschluss werden im Februar aufgegeben, dafür an der benachbarten Adresse Gaudystraße 7, in einem gründerzeitlichen Haus, neue Räume auf der Beletage bezogen, jetzt mit herrlich inspirierendem Blick in einen großen, begrünten Innenhof, der die leise Wehmut um die schöne Zeit im Parterre dann doch schnell vergessen lässt. Im 200. Todesjahr Johann Martin Millers bringt der Verlag dessen sämtliche Gedichte unter dem Titel Liederton und Triller, herausgegeben und mit kluger Einführung in Leben und Werk versehen von dem jungen Germanistikstudenten Michael Watzka, der zudem mit Moritz Müller-Schwefe und anderen Kommilitonen unsere alten metamorphosen wiederaufleben lässt: Wie damals in Heidelberg erscheint das Heft in neuer Folge wieder vierteljährlich mit dem alten Programm: »Literatur — Kunst — Kultur«. Ralph Roger Glöcklers Frankfurt-Roman Tamar, der die alte biblische Geschichte um den König David und seine Kinder in die Immobilienwelt von heute verlegt, eine weitere Fremdenlegionärsposse von P. Howard (i. e. Jenő Rejtő): Ein Seemann und ein Musketier sowie der zweisprachige Gedichtband Labyrinth des griechischen Lyrikers Thanassis Lambrou, auf den man über dessen Veröffentlichungen in der Zeitschrift »Sinn und Form« aufmerksam wird, zeigen auch in diesem Jahr die typische Mischung aus Zeitgenössischem und Klassischem, aus deutscher wie internationaler Literatur in Elfenbeins Regal.

2015 Umzüge bedeuten auch immer eine Sichtung alter Dinge. Von vielem trennen wir uns, anderes, beinahe Vergessenes, aber für eine Veröffentlichung schon Vorbereitetes tritt plötzlich zu Tage und will nun endlich publiziert sein: so auch Anthony Powells Tanz zur Musik der Zeit, der seit dessen Todesjahr 2000 in Heinz Feldmanns Übersetzung auf dem Verlegerschreibtisch wartet. Nun ist die Zeit wirklich reif, das Projekt — 12 Bände insgesamt — zudem viel besser kalkulierbar als in Elfenbeins Kindertagen. Mit der Veröffentlichung der ersten vier Teile im Herbst gelingt dem Verlag dann auch ein wirklicher Coup: Auf der Frankfurter Buchmesse drängeln sich Kritiker und Buchhändler, und mit Andreas Isenschmids Paukenschlag in der ZEIT (»die schönste lange Romanreise der Weltliteratur«) beginnt eine Folge hymnischer Besprechungen in der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Literarischen Welt u. a., die noch zu zahlreichen Nachauflagen führen.
Mit der Publikation des szenischen Gedichts O Ilios O Iliatoras — Die Sonne die Sonnenherrscherin von Odysseas Elytis und der Neupublikation von Alexandros Papadiamantis’ Roman Die Mörderin startet der Verlag heuer auch das schon einige Jahre schlummernde Projekt, für das lange vergeblich ein Mäzen gesucht wurde, nun eben aus eigener Kraft: die »Kleine Griechische Bibliothek«, in der, aufbauend auf dem bereits seit 2001 Publizierten, bedeutende Vertreter der neugriechischen Literatur in deutscher Übersetzung zugänglich gemacht werden sollen.
Das Erscheinen von Luís de Camões’ Dramen und Briefen, des letzten Bandes der großen zweisprachigen Werkausgabe, kann der Übersetzer Hans-Joachim Schaeffer leider nicht mehr erleben — er stirbt im Sommer nach schwerer Krankheit, aber im Wissen, ein Jahrhundertprojekt noch abgeschlossen zu haben.
Zur 70. Wiederkehr der Befreiung vom Nationalsozialismus erscheint auch der Roman Wolke und Walzer des tschechischen Schriftstellers Ferdinand Peroutka, der plötzlich einer postumen Verleumdungskampagne ausgerechnet in seinem Heimatland ausgesetzt ist. Das deutsche Feuilleton wird daraufhin aufmerksam und entdeckt »einen beeindruckenden europäischen Jahrhundertroman« (Hans-Peter Kunisch, Süddeutsche Zeitung).

2016 Elfenbein geht ins 20. Jahr! Die groß angelegte Chinatrilogie von Rainer Kloubert, dessen Werke seit 1998 hier erscheinen, wird mit dem opulent ausgestatteten Band Peking. Verlorene Stadt abgeschlossen. Die Kritik feiert Autor und Werk erneut als »ziemlich einzigartig« (Mark Siemons, Frankfurter Allgemeine Zeitung). Auch die »Kleine Griechische Bibliothek« erhält Zuwachs durch einen neuen Band mit erschreckend aktueller Kurzprosa von Alexander Adamopoulos: Noch mehr Lügen, die schon seit über einem Jahrzehnt auf Veröffentlichung wartet. Klaus Rainer Goll (denn alles sind spuren) und Jürgen Kross (Schluchten) legen neue Gedichtbände vor, und Vilmos Csernohorszky jr. nun schon den fünften der wahnwitzigen Seemannspossen des ungarischen Meisters des Katastrophenwitzes P. Howard (i. e. Jenő Rejtő) in kongenialer Übersetzung: Ein Seemann aus der Neuen Welt. Noch immer ist er nicht recht im deutschen Feuilleton bemerkt worden, doch Elfenbein wirbt weiter und unermüdlich um ihn, jetzt auch mit weniger artiger Covergestaltung …
Auch die Übersetzung von Anthony Powells Tanz zur Musik der Zeit schreitet planmäßig voran, nein: außerplanmäßig, nämlich viel schneller, als ursprünglich angekündigt: Heinz Feldmann schließt die Arbeit an den noch nie ins Deutsche übersetzten Bänden 5, 6 und 7 ab, so dass wir nach einem Jahr bereits mehr als die Hälfte des Zyklus auf Deutsch vorlegen können. Mit zahlreichen Lesungen in Literaturhäusern und Buchhandlungen wächst die Fangemeinde langsam, aber stetig an, die Kölner Anthony-Powell-Gesellschaft setzt ihre Veranstaltungsreihe fort, und durch großzügige Unterstützung der BSCW-Stiftung, die sich ab Band 8 an der Finanzierung der Übersetzung beteiligt, ist das Projekt nun für die Zukunft abgesichert. Die Taschenbuchlizenz kann an dtv verkauft werden, und das Hörbuch mit Unterstützung durch den SWR an das Hörbuchlabel speak low, das mit dem erfahrenen und preisgekrönten Berliner Sprecher Frank Arnold, der Feldmanns Powell genau den richtigen Ton verleiht, zusammenarbeitet.
Buchstäblich gekrönt wird das Herbstprogramm aber mit einem Vorstoß in Gefilde, die das Verlegerherz in Erinnerung an seine Studentenzeit in Heidelberg höher schlagen lässt: Olaf B. Raders Beitrag zum 700. Geburtstag Karls IV.: Wie Blitz und Donnerschlag, soll eine Reihe mit populärgeschichtlichen Essays begründen, die Fragestellungen, wie hier nach dem Prozedere der Krönung eines mittelalterlichen Kaisers, beantworten helfen. Und schließlich ziert Thanassis Lambrous zweiter Gedichtband Meditation als zehnter Band die weiter anwachsende »Kleine Griechische Bibliothek«.

2017 Dieses Jahr steht für Elfenbein unter einem besonderen griechischen Stern, denn die »Kleine Griechische Bibliothek« soll noch einmal beträchtlich wachsen, auch um den nicht abreißenden Unkenrufen über eines unserer Sehnsuchtsländer etwas Gewichtiges zu entgegnen — zunächst also mit einem Großprojekt, das unbegreiflicherweise in Deutschland — anders als im französisch- oder englischsprachigen Raum — praktisch unbekannt ist: der Odyssee von Nikos Kazantzakis, einem 33.333 siebzehnsilbige Verse umfassenden »modernen Epos«, dem Hauptwerk des in Deutschland dank der Verfilmung seines in alle Sprachen übersetzten Romans »Alexis Sorbas« zumindest dem Namen nach wohl noch immer bekanntesten griechischen Schriftstellers. Die Übersetzung von Gustav A. Conradi lag im Grunde seit 1973 vor, seit Jahrzehnten aber war sie nicht mehr, oder nur teuer antiquarisch und zudem nur in einer einsprachigen Ausgabe, greifbar. Nach ihrer ersten Publikation bei Kurt Desch geriet sie allerdings schon bald in Vergessenheit. Dabei ist sie von einer ungeheuren Kraft und trotz ihres Pathos nach wie vor frisch — und dem Original mehr als angemessen. Nun liegt sie wieder vor, in einer schönen zweisprachigen Ausgabe mit Geleitwort von Thanassis Lambrou.
Mit den drei Gedichtzyklen der Logbücher des Nobelpreisträgers von 1963, Giorgos Seferis, in Andrea Schellingers Übersetzung liegt am Ende des Jahres auch der zwölfte Band in der »Kleinen Griechischen Bibliothek« vor. Aber auch die französische Renaissance bleibt Interessengebiet Elfenbeins: Der André-Gide-Preisträger Georg Holzer schließt mit der Übersetzung der Sonette für Hélène den dritten Band von Pierre de Ronsards Liebeslyrik ab, einem »Projekt, das beeindrucken muss«, wie Jan Wagner in der Frankfurter Rundschau bei Erscheinen des ersten Bandes schon applaudierte. Zum Frankreich-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse (»Francfort en français)« wird dem Prince des poètes et poète des princes Ronsard aber auch ein weiterer Band von Marcel Schwob zur Seite gestellt: Manapouri, das Schwobs Reise zum Grab Robert Louis Stevensons auf Samoa 1901/1902 über die Briefe an seine Frau Marguerite Moréno nachzeichnet. Abgerundet wird das Herbstprogramm mit dem Gedichtband Namenlot von Hans Krieger.
Das anstrengende, aber wundervoll ertragreiche Jahr erhält mit einem Telefonanruf durch die Kurt-Wolff-Stiftung seinen Höhepunkt, der dem Verleger ankündigt, auf der Leipziger Buchmesse 2018 mit dem Kurt-Wolff-Preis geehrt zu werden.

2018 Mit dem Hochgefühl, ein Jahr lang die Krone der Kurt-Wolff-Stiftung tragen zu dürfen, beginnt das Verlagsjahr selbstredend besonders erfreulich, und mit Anthony Powells Roman »Könige auf Zeit«, der elfte in der Reihe des Tanzes zur Musik der Zeit, scheint sich sogar eine Prophezeiung zu erfüllen … Das großzügige Preisgeld — wie sollte es anders sein — verhilft Elfenbein, lange gewünschte Wiederauflagen endlich anzugehen: Klabunds Erzählungen, der 5. Band der Werkausgabe, soll komplett durchgesehen und durch neue Forschungsergebnisse ergänzt in eine zweite Auflage gehen; Alban Nikolai Herbsts Thetis, der erste Band seiner »Anderswelt«-Trilogie, vor 20 Jahren erstmals von Rowohlt verlegt, erscheint in einer überarbeiteten Ausgabe neu, so dass nun wieder alle drei Bände lieferbar sind.
Rainer Klouberts neues Buch Vom fliegenden Robert entführt uns wieder nach China und in den Fernen Osten, diesmal aber auf dem Wege einer Vers-Erzählung, die an sein Debüt vor ebenfalls 20 Jahren anschließt.
Im Herbst dann soll Anthony Powells Romanzyklus nicht nur mit dem 12. Band abgeschlossen werden, sondern auch durch Hilary Spurlings Handbuch zu allen genannten Figuren, Orten und Werken ergänzt werden. Über die weiteren Pläne (Einar Schleef und noch mal, aber anders: Klabund) kann man in der Vorschau nachlesen.

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