Glöckler: Mr. Ives
Ralph Roger Glöckler:
»Mr. Ives und die Vettern vierten Grades«
Roman
2012, Ln., 288 S.
€ 19 [D] / € 19,60 [A] / sFr 23,50
ISBN 978-3-941184-15-2
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Buch

Mit »Mr. Ives und die Vettern vierten Grades« legt Ralph Roger Glöckler einen ungewöhnlichen Briefroman vor. Lose angelehnt an die Biografien von Henry Cowell, Charles Ives – zwei herausragenden Avantgarde- Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts in den USA – und ihrer Frauen, variiert er diese vier durch Freundschaft und Erschütterung eng miteinander verwobenen Lebensfäden zu Versuchen, das gerade Durchzustehende in Worte an einen imaginierten Dritten zu fassen. Es sind hoffnungsvolle, zornige, traurige und verliebte Zeilen, die sich aber immer wieder auch um die Unmöglichkeit des Vermittelns innerster Gedanken und Sehnsüchte drehen. Die Hoffnungen und Ängste der exzentrischen Künstler werden ebenso thematisiert wie die tatsächliche Verurteilung des bisexuellen Cowell für seine Beziehung zu einem Minderjährigen und die Schwierigkeiten des Zusammenlebens unter solchen Umständen. In einem faszinierenden Sittengemälde komponiert Glöckler hier eine Ragtime-Variation auf vier starke Charaktere der musikalischen Moderne.

Autor

Ralph Roger Glöckler (geb. 1950) studierte in Tübingen u. a. Ethnologie. Im Elfenbein Verlag erschien bereits der Gedichtband »Das Gesicht ablegen« (2001), die Azoren-Trilogie: »Corvo« (2005), »Madre« (2007) und »Vulkanische Reise« (2008) sowie der Roman »Tamar« (2014).

Auszug

Mrs. Harmony Twichell Ives

Hatte ich wirklich keine Ahnung? Doch. Wir hätten wissen müssen, dass für Henry andere Maßstäbe gelten. Maßstäbe? Körperliebe. Sinnenlust. Befriedigung. Ich schüttele den Kopf, Charlotte, verstehen Sie? Wir haben gelernt, zu lieben, Liebe als etwas Heiliges, Offenbartes zu erfahren, das uns verbindet, verpflichtet, uns aufträgt, auf andere einzuwirken, uns, Mann und Frau, als geistige, eine Einheit bildende Wesen zu verstehen. Vater war Prediger. Und Henry? Ich habe ihn oft beobachtet und gedacht, was es wohl sein mag, das ich so seltsam an ihm finde? Ich mag unstete Blicke nicht, die sich dem anderen gegenüber nicht bekennen.


Mr. Henry Dixon Cowell

Mein erstes Klavier, Charles, habe ich in einem Trödelladen gefunden. Es stand zwischen Kommoden, Stühlen, Tischen umher, war völlig verstimmt und sollte sechzig Dollar kosten, alles, was wir an erspartem Geld besaßen, zu viel, aber ich wollte endlich eines haben, also vereinbarte ich, zwanzig anzuzahlen und, da ich im Handeln erfahren war, den Rest monatlich abzustottern. Endlich würde ich Kompositionen am Instrument schreiben, sie Ton für Ton ertasten, ausklingen lassen und so lange daran arbeiten können, bis sie mir richtig, wesentlich, ja, für meine wenigen Mittel vollendet erschienen.


Mr. Charles Edward Ives

Schließe die Augen, warte, halte den Atem an, einen anderen Beruf ergreifen, war es nicht so, um kompromisslos eigene Musik zu schreiben, Fragmente universaler Grammatik, nicht den Zwängen des Betriebs unterliegen, anmaßenden Meinungen anmaßender Menschen, Einzelgänger, einsam, verkannt, nie oder von wenigen ermutigt, packen wir’s, helle Töne über dem See, packen wir’s an, als würdest du, Vater, am anderen Ufer stehen, barfuß, in schlampigen Hosen, heraushängendem Hemd, und auf deinem Horn spielen, den Blick nach innen, auf die Klang werdende Verheißung gerichtet. Dann bist du weg, wie nie gewesen. Nur ein Vibrieren der Luft. Ich öffne die Augen, weiß kaum noch, wo ich bin, sollte in die Stadt zurückkehren, aber ich kann mich nicht lösen, weil deine Noten, Vater, immer noch über dem Wasser schweben.


Mrs. Sidney Robertson Cowell

Henry: ernst, nachdenklich, eines Wissens inne, das er mit niemandem teilen wird, auch mit mir nicht, ich weiß, vielleicht, wenn es sein sollte, mit Ihrem Mann, Mrs. Ives, obwohl die beiden, wenn ich es richtig verstehe, keiner Aussprache darüber bedürfen, was Kunst, eigenbrötlerisch, tyrannisch, von ihnen einfordert: moralisch, amoralisch, abwegig, nun ja, wie immer sie es nennen mögen. Nein, ich liebe Henry nicht, weiß nur, dass er mich gepackt hat, weiß weder wo noch wie.

Pressestimmen

»In berührender, dabei stilistisch nicht nur eleganter, sondern auch formstrenger, bisweilen ruhig strömender, dann wieder schwebender Sprache macht Glöckler die inneren Konflikte seiner Protagonisten mitfühlbar, bei denen man sehr schnell vergisst, dass es sich ‚eigentlich‘ um historische Personen handelt … ein bemerkenswerter Roman …«
(Alban Nikolai Herbst, Volltext)

© 2012 Elfenbein Verlag

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