Kloubert: Yuanmingyuan
Rainer Kloubert
»Yuanmingyuan«
Spuren einer Zerstörung
2013, Ln. im Schuber, 256 S.
€ 39 [D] / € 40,20 [A] / sFr 47
ISBN 978-3-941184-20-6
Bestellung

Buch

Yuanmingyuan – das ist: der größte Palastgarten Chinas. Ehemals ein idyllisches Wunderland aus Villen, Tempeln, Pagoden, Seen und Hügellandschaften – heute ein Ruinenfeld. Im ausgehenden 17. und frühen 18. Jahrhundert entstanden, erstreckt sich das Parkgelände im Pekinger Nordwesten über eine Gesamtfläche von 350 Hektar. Die Herrscher der Qing-Dynastie nutzten es als ihren Sommerpalast, horteten hier zahllose Kostbarkeiten und imposante Schätze und erweiterten ihn fortwährend – in Europa galt der Yuanmingyuan deswegen als »Chinas Versailles«, ein gleichsam bedeutender wie tragischer Ort: Hier suchten die Kaiser Erholung und Zerstreuung. Hier empfingen sie die Unterhändler aus dem Westen, schlossen Staatsgeschäfte ab. Im Zweiten Opiumkrieg wurde er von englischen und französischen Truppen zerstört und später auch von den Einwohnern Pekings weiter verwüstet und geplündert. – Rainer Kloubert zeichnet diese Geschichte des Yuanmingyuan als einen Spaziergang auf den Spuren der Zerstörung nach. Der Erzähler porträtiert die versunkene Schönheit der Landschaft sowie der architektonischen Prinzipien und Besonderheiten des Palastes und flicht in seinen Bericht von der Zerstörung und Plünderung Episoden aus der chinesischen Kulturwelt ein, die dem Europäer mitunter kurios erscheinen. Eine Erzählung von Kaisern, Konkubinen und Eunuchen, Jesuiten, ausländischen Delegationen und Diplomaten, von Forschungsreisenden, Botanikern und Fotografen.
Nach »Peitaiho. Großer chinesischer Raritätenkasten« der zweite Band der Trilogie über Chinas jüngste Geschichte, die mit »Peking. Verlorene Stadt« 2016 abgeschlossen wurde; jeder Band großformatig, in Leinen gebunden, mit Lesebändchen, farbiger Fadenheftung, zahlreichen Abbildungen und einem Register.

Autor

Rainer Kloubert (geb. 1944 in Aachen) studierte in Freiburg, Tübingen, Hongkong und Taiwan Rechtswissenschaften. Er war u. a. Sprachlehrer an der Militärakademie in Taiwan, Dolmetscher bei einem chinesischen Wanderzirkus und Anwalt in Taipeh. Er lebt in Peking und London. Bereits erschienen:
»Selbstmord ohne Hut« (1998)
»Mandschurische Fluchten« (2000)
»Der Quereinsteiger« (2003)
»Kernbeißer und Kreuzschnäbel« (2007)
»Angestellte« (2008)
»Roons letzter Flug«(2009)
»Peitaiho«(2012)
»Peking«(2016)

Auszug

Für den einfachen Rundgang um den Yuanmingyuan, unmittelbar hinter der »Ankunft« gelegen, brauchte man mindestens einen Tag – Monate und Jahre aber, um jeden Winkel kennenzulernen. Genau fünfundneunzig voneinander getrennte »Szenerien« eines riesigen Parks befanden sich hier: Paläste, riesige Hallen, Tempel, mehrstöckige Häuser, Pyramiden, Ehrenbögen, Wandelkorridore, Grotten, Seen, Bäche, Flüsse, Teiche, Wasserfälle, Inseln, Wäldchen, Irrgärten, Aussichtsterrassen, Lauben, Kioske […]
Ein Drittel der Fläche war von Wasser bedeckt – Seen, Teiche, gewundene Wasserläufe, Kanäle. Aber nicht die sprudelnden, plätschernden, rauschenden, murmelnden, gurgelnden und raunenden Bäche Europas, die ihren Ursprung in Vergils Arkadien hatten und in Schuberts Liedern an klappernden Mühlen vorbeiflossen, sondern tiefe, verschwiegene, träge, stetig und wie im Traum lautlos dahinflutende Wasserarme von der Art, wie sie etwa heute den englischen Garten in München durchfließen. Sie verbanden Bauten und Szenerien miteinander und waren so angelegt, dass der Kaiser in seiner Prunkbarke jede Stelle des riesigen Gebietes erreichen konnte. Größere Seen wurden als Veranstaltungsorte für Bootsausflüge, Bootsrennen und als Kulisse für Feuerwerke benutzt; kleinere Gewässer, um ein warmes und harmonisches Gefühl zu erzeugen. Teiche im Inneren der Höfe trugen dazu bei, die allzu rigide und symmetrisch gestalteten Bauten aufzulockern und sie weicher und lebendiger zu machen. […]
Ich lernte den Yuanmingyuan mit der Zeit so kennen, wie ein Schachspieler mit geschlossenen Augen Brett und Figuren vor sich sieht. Auch heute noch mache ich, wenn ich nicht einschlafen kann – als spielte ich eine blinde Partie – in Gedanken einen Spaziergang durch den Palastgarten. Er dauert oft länger als ein wirklicher Spaziergang, vor allem dann, wenn ich mir dabei auszumalen versuche, wie er wohl vor seiner Zerstörung ausgesehen haben mochte und wen ich dort hätte treffen können. Beim Europäischen Labyrinth schlafe ich dann ein und träume von Kaisern, Mandarinen, Konkubinen, Eunuchen, Lamas, Warlords, Jesuiten, Diplomaten, Forschungsreisenden, Botanikern, Fotografen, Offizieren, westlichen Beamten in chinesischen Diensten. Eine kunterbunte Gesellschaft, in die sich beim Erwachen ein Fußgetrappel mischte, dann ein »eins – zwei – drei« und schließlich das »sha sha sha«-Gebrüll (杀杀杀: »töten, töten, töten«) der Wachtruppe des Gästehauses, die frühmorgens im Laufschritt durch das Gelände marschierte. Das Geschrei, das sich wie das Blöken von Giuseppe Castigliones Esel anhörte, hatte infolge seiner Regelmäßigkeit – man konnte die Uhr danach stellen – etwas Einschläferndes an sich und man gewöhnte sich mit der Zeit so sehr daran, dass es sich mit den Träumen der besonders lebhaften Art verwob, die man kurz vor dem Erwachen hat. […]

Pressestimmen

»Nach einem Sinologen mit besserer Kenntnis von Land und Sprache wird man lange suchen müssen: Rainer Klouberts Bücher über das nordchinesische Seebad Peitaiho und den Garten des Alten Sommerpalasts in Peking sind Pioniertat und Lesegenuss.«
(Jürgen Osterhammel, Frankfurter Allgemeine Zeitung)

© 2013 Elfenbein Verlag

Startseite