Im Anfang war das Wort, aber es ist nicht Passwort geworden. Nur so konnte der Weltstoff Literatur sein umfangreiches Schreib- und Leseprogramm entfalten. Manchmal erschien auch ein Zeichen am Wörterhimmel, wenn eine Figuration von Lettern im Lauf der Gestirne lesbar wurde. Mallarmé nannte die Sterne das »Alphabet der Nacht«. Erst wo es gelingt, die Zeichen des Alphabets, die unsere Sprache so selbstverständlich begleiten, in eine poetische Konstellation zu bringen, treten sie uns unverbraucht entgegen, werden wieder kostbar und führen uns auf die Fährte neuer Lektüren. Die Wörter müssen fremd werden, damit wir sie neu wahrnehmen und ihr poetisches Potential entschlüsseln können. Die Melodie, nach der die Buchstaben beim »Konzil der Planeten« tanzen, folgt der Partitur der Zahlen. Nur durch ein Regelwerk können wir dem empirisch unwahrscheinlichen Fall, dass aus Sprache Dichtung wird, begegnen. Und so speist das Buch »Mythopoiesis« den »Großen Generator«, so begibt sich die »Suchmaschine« auf die Spur der Passwörter, so rattert der »Wörterwebstuhl« im Takt von Rhapsodie und Rap, bis im »Studio für Textgenese« die Lesbarkeit der Welt im Lichte verschiedener poetischer Konstellationen erscheint.
Stephan Krass (geb. 1951) ist Literaturredakteur beim Südwestrundfunk und Dozent für Literatur an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Seit 1998 arbeitet er an Anagramm-Installationen und Performances für Museen, Theater, Literaturhäuser und öffentliche Plätze u. a. in München, Berlin, Leipzig und New York. Für Hans Magnus Enzensbergers »Poesieautomaten« im Literaturmuseum der Moderne in Marbach a. N. dichtete er 2002 das 144-zeilige Anagramm-Poem »Die Ankunft des Gedichts verzögert sich auf unbestimmte Zeit«.
Im Elfenbein Verlag erschienen bereits die Bände »Tropen im Tau – Permutation« sowie »Lichtbesen aus Blei«. 2007 erhielt Krass für »Ponderabilien – ein Hör/Spiel mit Worten und Werten« den Hörspielpreis der Akademie der Künste Berlin.
Am 5. Tag der neuen Rechnung – er begann mit dem Konzil der 87 Planeten – senkte der Große Generator die Unruhe herab. Unter hohen Spiegeln konnte man die Ankunft der Geschichte betrachten. Sie ereignete sich in einer Totalen. Wie auf den filigranen Mosaiken des alten Südens versammelten sich einzelne Punkte und Quadrate, gruppierten sich zu einem neuen Weltbild und schmückten ihre Aussagen mit Präambeln. Dann begann das Datenreich in ungewohnten Zungen zu fabulieren. Kuriere in prächtigen Ornaten bereisten die Regionen, und ins Hochgebirge zu den Kratern schickte man die Akrobaten. War es die Kapriole einer Nachtigall, das Geräusch der Schwalben oder der Tritt eines Schwans, der diesen Ausflug vor die Portale befohlen hat? Dem Manifest der Unruhe sah man es nicht mehr an.
»Sprachgebilde von klassischer Schönheit …«
(Karl-Heinz Ott, Badische Neueste Nachrichten)
»Maschinenpoesie …«
(Felix Philipp Ingold, Neue Zürcher Zeitung)
© 2010 Elfenbein Verlag
Startseite