« Marchez ou crevez! » Marschieren oder krepieren!, lautet die Devise
aller Fremdenlegionäre, die auch unsere guten alten Freunde, der schöne,
verwegene und verhältnismäßig eiskalte Alfons Nobody, der erfahrene Autor
John »Keule« Fowler und der vierschrötige Meisterdieb Delle Hopkins
besonders beherzigen, als sie sich mit Hilfe aufmüpfiger Unverschämtheiten
strafversetzen lassen, um auf die Suche nach dem verschollenen Sohn eines
hochrangigen Offiziers zu gehen, weil sie der schriftlich geäußerten Bitte
der unbekannten Yvonne, eines schönen, bezaubernden und vornehmen Fräuleins
aus Paris, unbedingt nachkommen wollen. Die Suche geht durch dick und dünn
mitten in das krokodilverseuchte Land am schwarzen Fluss Kongo, wo sie in
einem Sträflingslager für Legionäre endlich fündig werden. Zu ihrem Erstaunen
sehen sie dort keine abgezehrten Zwangsarbeiter, sondern gutgenährte,
verwöhnte Soldaten, die sich an Kuchen und Zigarren gütlich tun, statt die
berüchtigte Kongobahn zu bauen. Sie trauen ihren Augen nicht und wittern
eine gigantische Hochstapelei.
Mit von der lebensgefährlichen Partie ist auch der gute, alte, bärbeißige
Sergent Potrien, dem sie ein für alle Mal abgewöhnen, sie zu schikanieren.
Fehlen darf natürlich auch nicht der großnasige Türkische Sultan, ihr
notorisch »verdächtiger« Kumpan, dessen Briefe so unverwechselbar sind
wie die Rezepte des »großen Levin«, eines geisteskranken Kochs und
manischen Feinschmeckers, dessen mysteriöser Ruhm auf den letzten Seiten
endlich gelüftet wird. Und natürlich hilft ihnen auch der treue und feine
»Herr Doktor Kwastitsch«, Barpianist, Morphinist und Unterweltsarzt aus
St. Petersburg, der trotz seiner Leibesfülle mutig über halb gerissene
Dschungelbrücken balanciert. Endlich begegnen die drei unerschrockenen
Gefährten auch ihrer großen Liebe Yvonne und schlagen sich ihretwegen fast
die Schädel ein, bis sie ihnen von den edlen Drei Musketieren erzählt.
Als weitere Protagonisten erscheinen anständige wie verkommene Offiziere,
hunderte von Neurotikern, Schurken und Suchtkranken, vierzig Schafe, eine
Horde gemütskranker Affen, der neunzigjährige Wüstenwirt Selim,
Lord Geoffroy mit seinem saharatauglichen Rolls Royce, und – last, but not
least – Leila (die arabische Dämonin) … Der Nachwelt überliefert wird diese
unsterbliche Legionärsposse, die mit einem umwerfenden Showdown in
Französisch-Marokko endet, von John »Keule« Fowler, dem Troubadour der
Place Pigalle, dem Minnesänger der Reeperbahn, dem Barden von Soho, einem
bescheidenen Bestsellerautor und revolutionär-romantischen Gesellschaftskritiker,
dem trotz Legion und Urwald der Schöngeist nicht abhandengekommen ist.
Eine köstliche Lektüre aus dem Jahre 1940, die dem geneigten Leser im
Ohrensessel einen spannend erzählten und höchst amüsanten Abenteuerurlaub
ins märchenhafte Reich Howardscher Absurditäten beschert.
Unter dem Pseudonym P. Howard (1905–1943) veröffentlichte Jenő Reich alias
Jenő Rejtő – oder in der richtigen Reihenfolge: Rejtő Jenő – im Budapest
der 1930er und 40er Jahre seine unnachahmlichen ironischen Geschichten,
die in Ungarn bis heute ungezählte Neuauflagen erlebt haben. Seine absurden
Dialoge sind die einzigartige Würze der Romane Rejtős. Nicht weniger
abenteuerlich tragikomisch war seine Lebensgeschichte: Aus kleinbürgerlichen
Verhältnissen stammend, wollte er nach dem Abitur Schauspieler werden,
brach die Ausbildung aber ab, um durch die Welt zu streunen. In Afrika
wurde
er angeblich Fremdenlegionär, und mit 28 Jahren verschlug es ihn
wieder nach Hause, wo er mit seinen Romanen immer erfolgreicher wurde.
Sein Verlager riet ihm zu einem englischen Pseudonym – so wurde aus Rejtő
Jenő »P. Howard«, ein Parodist von Abenteuer- und Kriminalromanen.
Während des Krieges wurde er von den Nazis zum Arbeitsdienst nach Woronesch
(Ukraine) deportiert, wo er am Neujahrstag 1943 erfror. In Ungarn zählt
P. Howard, der Meister des Katastrophenwitzes, zu den beliebtesten
Schriftstellern.
In den kongenialen Übersetzungen von Vilmos Csernohorszky jr. erschienen
bereits die Romane:
»Ein Seemann von Welt« (2004)
»Ein Seemann und ein Gentleman« (2008)
»Ein Seemann in der Fremdenlegion« (2012)
»Ein Seemann aus der Neuen Welt« (2016)
Vier Nationen waren am Tisch vertreten: ein amerikanischer Infanterist,
ein französischer Gefreiter, ein englischer MG-Schütze und ein russischer
Fleischsalat. Der Infanterist, der Gefreite und der MG-Schütze hatten auf
der Bank Platz genommen, der Fleischsalat auf dem Tisch, in einer Schüssel.
Zeit: 7 Uhr nachmittags.
Schauplatz: Afrika, Rachmar, eine abgelegene Garnison in einer trostlosen Sahara-Oase,
wo einige Dutzend vergessener Fremdenlegionäre und ein paar armselige
Araber dahinvegetierten.
Personen: Identität ungeklärt.
Vorkommnisse: Keine.
Das auffälligste Charakteristikum der Oase von Rachmar bildete der Umstand,
dass sie die am wenigsten auffällige und charakteristische Oase Afrikas war.
In ihrer Mitte lag ein Militärlager, umgeben von einer Lehmmauer. Das Ganze
bezeichnete sich ohne jeden Grund, nur so aus Gewohnheit, als »Fort«.
Einen Begriff von der Widerstandskraft des »Forts« bot ein jüngerer Vorfall,
als nämlich der betrunkene Korporal wütend gegen die Wand trat und gleich
darauf schwer verletzt ins Lazarett eingeliefert wurde, nachdem ein
Wachtturm über ihm eingestürzt war.
Aber man nannte es dennoch »Fort«. Und eine Nummer gab man ihm auch.
Dieses Fort war die Nummer 72 in der Reihe ähnlicher Baulichkeiten in der
Sahara.
Hinter der Rundmauer standen ein »Stabsquartier« (ein kleines einstöckiges
Haus aus Rohziegeln) und zwei Baracken für die Besatzung. In der Baracke
lebten Soldaten, und in den Soldaten eine stumpfe Lethargie – infolge der
Hitze und der öden Gleichförmigkeit der Tage.
Ungefähr fünfzig Palmen umringten das Fort: Staubige, matte, magere, halbtote
Bäume, in deren Wipfeln eine beklagenswerte Horde gemütskranker Affen
herumlungerte. Diese behaarten Väter der altehrwürdigen Evolutionstheorie
wären liebend gern in üppigere Gefilde umgezogen, wussten aber nicht, auf
welchen Pfaden es sie überhaupt hierher verschlagen hatte.
Zwischen den Palmen standen acht bis neun schäbige Hütten, die man Duar
nannte. Ihr Sinn und Daseinszweck war unbekannt, denn die eingeborenen
Besitzer gingen jahraus, jahrein nicht durch die Tür. Aber sie bewegten
sich auch nicht von der Türe fort. Wohin sollten sie in der heißen Oase
auch gehen? Oder was sollten sie in den Hütten tun? Andererseits war es
auch nicht klar, was diese Araber vor der Hütte zu suchen hatten, wo sie
doch nur herumsaßen. Aber ist es denn Sinn und Zweck einer Oase, in allem
den Gesetzen der Logik zu entsprechen?
Also aßen, tranken, schliefen und langweilten sich die Eingeborenen vor
der Hütte. Was erwartete sie schon in der Duar? Ein eingedrückter Topf,
einige zerbrochene Habseligkeiten, eine verrottete Matte und ähnliches
Gerümpel lagen verstreut auf der gestampften Erde. Außerdem lebten auch
einige tausend Fliegen in der Behausung. Das alles war es nicht wert,
dass man es aufsuchte, und die Ziege kam auch von selber heraus, wenn ihr
der Magen knurrte.
Mittelpunkt der Oase Rachmar war das »Grandhotel«. Abweichend von
gleichnamigen europäischen Institutionen war das »Grandhotel Rachmar« ein
mieser, kleiner Verschlag und bildete einen einsamen, pathetischen Vorposten
des in Europa triumphierenden Bauhausverhaus. Der Besitzer, ein
Halsabschneider, dem ein Auge fehlte und der seine zehnjährige Haftstrafe
vorschriftsmäßig verbüßt hatte, war nun stolzer Betreiber dieses
Speiserestaurants, gegründet mit den Erträgen aus seiner emsigen
Vergangenheit. Karawanen, die nach Timbuktu zogen, und durchreisende
Jagdgesellschaften bildeten seine größeren Einnahmequellen, während die
beiden arabischen Gendarmen der Oase und die hundert Mann starke Garnison
für den laufenden Geschäftsgang sorgten.
»Schräg ist das Mindeste, was zu sagen ist: Jede Menge witziger Situationen,
origineller Missverständnisse und absurder Dialoge. Kafka meets Schweijk.«
(Hans von Trotha, Deutschlandradio Kultur)
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