Kloubert: Peking
Rainer Kloubert:
»Peking. Verlorene Stadt«
Mit zahlreichen Abbildungen
2016, Leinen i. Sch., 320 S.
€ 49 [D] / € 50,60 [A] / sFr 70,80
ISBN 978-3-941184-51-0
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Buch

Mit »Peking« beschließt Kloubert nach »Peitaiho« und »Yuanmingyuan« seine China-Trilogie: In scharfem Kontrast zur Realität des 21. Jahrhunderts mit seinen Hochhäusern und Schnellstraßen führt der Erzähler in die alte Kaiserstadt mit ihren Mauern und Toren, Türmen und Palästen, ihren Gärten, Höfen, Häusern und Straßen, in ihre Restaurants, Spelunken, Läden und Bordelle, zu ihren Bewohnern und ihren Ritualen.

Autor

Rainer Kloubert (geb. 1944 in Aachen) studierte in Freiburg, Tübingen, Hongkong und Taiwan Sinologie und Rechtswissenschaften. Er war u. a. Sprachlehrer an der Militärakademie in Taiwan, Dolmetscher bei einem chinesischen Wanderzirkus und Anwalt in Taipeh. Er lebt in Peking und London.
Im Elfenbein Verlag erschienen bereits:
»Selbstmord ohne Hut« (1998)
»Mandschurische Fluchten« (2000)
»Der Quereinsteiger« (2003)
»Kernbeißer und Kreuzschnäbel« (2007)
»Angestellte« (2008)
»Roons letzter Flug« (2009)
»Peitaiho« (2012)
»Yuanmingyuan« (2013)

Auszug

Meine Liebe zur Pekinger Küche begann mit der Mutter meiner Frau. Ihr Geburtsjahr war das letzte Jahr des Kaiserreiches, ihr Geburtsort Peking, wo ihre Schwiegereltern ein großes Tuchgeschäft besaßen. Sie starb im Alter von neunzig Jahren in Taiwan. Bei meinem letzten Besuch im Hospital fragte sie mich, eine Krankenschwester musste sie stützen: »Rauchen und trinken Sie immer noch?« Als ich nickte, lachte sie.
Ein paar Tage später war sie tot.
Die Bestattungsfeier fand nach Pekinger Ritual in einem privaten Begräbnisinstitut statt. Pekinger Ritual, vereinfacht. (Bestattungsfeiern dauerten in der Regel mehrere Tage.) Links saßen die Frau­en, rechts die Männer. Der aufgebahrte Sarg ruhte zwischen zwei Säulen, buddhistische Priester rezitierten Suren, begleitet von zwei Saxofonspielern hinter den Säulen. Vor dem Sarg war eine verkleinerte Nachbildung des Pekinger Stammsitzes der Familie aus Pappe aufgebaut, das — ein chinesischer Brauch —­ bei ­der Bestattung­ verbrannt ­werden­ sollte: ­Es­ war ­ein­ Pekinger ­Wohnhof,­ Diener und Dienerinnen warteten hinter der Geistermauer am Tor, der Hausherr — mein noch jung an Jahren gestorbener Schwiegervater — saß im Hof unter einem Baum und las den »Playboy« (der Titel war deutlich zu erkennen). Die Kinder der Verstorbenen hatten dreimal vor dem Sarg Kotau zu machen, also dreimal niederzuknien und neunmal mit der Stirn den Boden zu berühren. Ich als Schwiegersohn brauchte es nur einmal zu tun. Danach waren Verbeugungen mit wechselnden Kultobjekten und Weihrauchstäbchen an der Reihe. Zwei Assistentinnen links und rechts soufflierten ­und­ sekundierten­...­ Vor ­dem ­Grab­ platzierte ­die Schwiegertochter ­Schalen­ mit­ den­ Lieblingsgerichten der Verstorbenen und rief leise und anrührend: »Mama, bitte essen kommen.« Die Pappmaché-Nachbildung des Wohnhofes wurde verbrannt, dazu Bündel von Totengeld (Hell’s Banknotes) und Silberbarren aus Papier. Dann wurde der Sarg an Seilen heruntergelassen. Als die Totengräber darangingen, die Öffnung zu verschließen, kommandierte der Zeremonienmeister: »Bitte den Rücken kehren.« Jeder wandte sich ab, um die tote Seele nur ja nicht zu verleiten, weiter weiter auf Erden zu bleiben.
Ihr Sohn zündete sich eine Zigarette an und schaute dem Rauch nach.

Pressestimmen

»Rainer Kloubert ist ein Buch über das alte Peking gelungen, das es eigentlich nicht geben kann … ein in der China-Literatur ziemlich einzigartig dastehendes Buch … auf jeder Seite überraschend, verwirrend, erheiternd und berückend …«
(Mark Siemons, Frankfurter Allgemeine Zeitung)

»Kloubert erteilt virtuos und geschmackssicher Auskunft über Vergangenes … beschwört Geschichten von Balzac’schem Format … Kloubert ist ein Meister der Gattung ›Vermischtes‹. Er erzählt, ohne zu dozieren, aber auch ohne ins belanglose Plaudern zu geraten, von dem, wohin sein Blick gerade gefallen ist. Das hätte dem Philosophen Leibniz gut gefallen …«
(Tilman Spengler, Süddeutsche Zeitung)

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