Nach einer verheerenden Katastrophe, deren Ursache im Vagen bleibt, durchquert ein Mann eine eintönige, überflutete und ständig in Nebel gehüllte Landschaft, die irritierende Überreste früherer Vegetation preisgibt. Eine ungenaue Erinnerung an eine Frauengestalt, die ihm wiederholt im Traum erscheint, ist ihm Ansporn für seine Reise. Und den noch regiert ihn ständig eine unbestimmte Furcht: auf Fremde zu treffen, die ihm vielleicht übelwollen.
Eine fantastische Parabel über Einsamkeit, Angst und »das Andere«, aber auch über Hoffnung und Liebe.
Tobias Schwartz (geb. 1976) lebt als Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer (Aphra Behn, Shelagh Delaney, Virginia Woolf) in Berlin. Sein Debütroman »Film B« erschien 2007, seine Theaterstücke wurden an verschiedenen Bühnen gespielt.
Ebenfalls lieferbar: der Roman »Morpho peleides« sowie die Romane »Nordwestwärts« (2019) und »Vogelpark« und der Erzählband »Landkrank« aus dem auf vier Teile angelegten Zyklus über die Ortschaft Emlichheim.
»Schwartz erzählt vielschichtig und hochspannend vom Überlebenskampf nach einer Umweltkatastrophe« (Felix Müller, Berliner Morgenpost)
Er hing kopfüber an einem Seil. Mit einer Hand konnte er beinahe den Boden berühren, und er griff nach einem Schilfrohr in seiner Nähe, das er umklammerte, während er versuchte, seinen Fuß aus der Schlinge zu ziehen. Er stemmte sich mit aller Kraft dagegen, aber es half nichts. Im Gegenteil, er spürte, dass sich die Wurzeln lösten und er das Schilf bald aus dem schlammigen Boden reißen würde.
Wieder hörte er das Rascheln, noch aber konnte er nichts erkennen. Er spürte Wut in sich aufsteigen, Wut über seine Einfalt und Achtlosigkeit, die ihn in diese lächerliche Lage gebracht hatte. Die Anhöhe war ein idealer Ort zum Fischen, zur Jagd, eine halbwegs trockene Bleibe mit frischem Wasser in der Nähe. Unmöglich konnte er hier allein sein, das hätte er wissen müssen.
Er merkte jetzt, dass sein Messer verschwunden war. Eben noch hatte er es in der Hand gehalten.
Er vergaß, in welcher Gefahr er sich befand. Schlimmer als alles andere erschien ihm die Vorstellung, sein Messer könnte in den Fluss gefallen und von der Strömung fortgespült worden sein. Ohne Messer brauchte er seine Reise gar nicht erst fortzusetzen. Ohne Messer war er erledigt.
Das Rascheln wurde lauter. Irgendetwas streifte durchs Schilf und näherte sich. Hanok glaubte braunes Fell zu sehen.
Noch einmal zog er mit aller Kraft am Schilf und hielt nun das Büschel, an das er sich geklammert hatte, in der Hand. Er baumelte hin und her.
Dann sah er Augen, bernsteinfarbene Augen. Es war ein Tier, und es näherte sich.
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