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Egon Bondy: »Hatto«
Roman
Aus dem Tschechischen von Mira Sonnenschein
2007, Ln., 180 S. € 19 [D] / € 19,60 [A] / sFr 34,40 ISBN 978-3-932245-84-4
Textauszug Vormerken |
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Egon Bondy (1930–2007), mit bürgerlichem Namen Zbynek Fišer, ist das wohl legendärste Autorpseudonym aus dem
tschechoslowakischen Underground der siebziger Jahre. Trotz seines umfangreichen literarischen Werkes existierte er bis 1990 aber »offiziell« lediglich als eine Gestalt
in Bohumil Hrabals Erzählungen. Bereits in den fünfziger Jahren lebte der antidogmatische marxistische Denker am Rande der Illegalität. In diese Zeit fällt auch seine
stürmische Beziehung zu der Tochter Milena Jesenskás – Jana Krejcarová. Bondy verschrieb sich schon bald dem »totalen Realismus«, einer auch von Hrabal mitgetragenen
künstlerischen Richtung. Das Pseudonym »Egon Bondy« wählte er aus Protest gegen den im sowjetischen Einflussgebiet auflebenden Antisemitismus. Nach der Niederschlagung
des Prager Frühlings konnte Bondy, der Philosophie und Psychologie studiert hatte, nur noch im Underground veröffentlichen: Vertonungen seiner Gedichte sangen die Mitglieder
der Band »The Plastic People of the Universe«, deren spätere Verhaftung den Anstoß zur Gründung der Charta 77 gab. Egon Bondy lebte seit Anfang der 90er Jahre bis zu seinem Tod
in Bratislava, seinem selbstgewählten slowakischen »Exil«. Zu seinem Werk zählen auch umfangreiche philosophische Schriften.
Bereits erschienen: »Die invaliden Geschwister« (1999)
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Foto: CTK
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Über das Buch
Wie Egon Bondy selbst so ist auch seine Romangestalt Hatto – ein sächsischer Mönch zu Beginn des zehnten Jahrhunderts – ein Außenseiter: Er will
sich nicht verbieten lassen, anders zu denken, als es die Kirchenväter vorschreiben. Mit der ketzerischen Frage »Warum ist Gott?« lässt er die hölzernen Palisaden seines ärmlichen
Klosters hinter sich und macht sich auf in eine Welt, deren alte Sicherheiten ins Wanken geraten: Ludwig das Kind, der letzte Karolinger im ostfränkischen Reich, ist gestorben und
die Nachfolge ungeregelt; in Rouen lässt sich ein Wikinger taufen, um an das Königreich zu gelangen; vor den Toren Konstantinopels stehen die Bulgaren; die Mauren bedrängen
Italien und die Ewige Stadt Rom, in der zu allem Unglück nicht die Päpste regieren, sondern deren Huren – das Ende der Welt scheint sich anzukündigen. Hatto besucht die reiche
Stadt Mainz und nimmt an der verschwenderischen Tafelrunde des Erzbischofs teil; er reist bis nach Vineta und Ultima Thule, ans Ende der Welt, ins ewige Eis … In Briefen an den
Abt seines Klosters berichtet Hatto von der Erkenntnis, zu der ihn diese Reise führt.
Auf der Grundlage historischer Quellen und detailgetreuer geschichtlicher Bilder, verknüpft mit frei erfundenen Begebenheiten, hat Egon Bondy mit »Hatto« einen philosophischen
Roman von beeindruckender, karger Schönheit geschaffen. Der dem Autor so dringend notwendig erscheinende Dialog zwischen Atheismus und Theologie wird hier aufgenommen
– in der Gestalt des Erkenntnis suchenden mittelalterlichen Mönchs.
Auf die Frage eines Journalisten: »Betrachten Sie sich denn nicht mehr als einen verbissenen Atheisten?« gab Egon Bondy 1997 zur Antwort: »Seit Jahren schreibe ich darüber,
dass der traditionelle Atheismus vollkommener Unsinn ist, und das Monopol des Atheismus, so wie wir ihn heute erleben, eine Sackgasse des menschlichen Denkens darstellt.
Damit muss man irgendwie Schluss machen, man muss mit dem Aufbau von etwas Neuem beginnen.«
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