Teixeira: Autobiografia Cautelar - Einstweilige Autobiografie
Paulo Teixeira:
»Autobiografia Cautelar - Einstweilige Autobiografie«
Portugiesisch - Deutsch

Übersetzt von Niki Graça

2008, Ln., 104 S.
€ 19 [D] / € 19,60 [A] /
sFr 34,40
ISBN 978-3-932245-95-4



Textauszug
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Paulo Teixeira (geb. 1962 in Lorenço Marques, heute Maputo/Mosambik) studierte in Lissabon Geografie und Regionalplanung. Er gilt als einer der bedeutendsten Dichter seiner Generation. Seit 1985 erschienen zwölf Gedichtbände, die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden. In Portugal erhielt er mehrere Literaturpreise, u. a. den Lyrikpreis des portugiesischen PEN-Clubs sowie den »Prémio Eça de Queiroz« der Stadt Lissabon. Auf Deutsch erschienen einzelne Gedichte in Anthologien sowie zuletzt in der von Norbert Miller und Joachim Sartorius herausgegebenen Zeitschrift »Sprache im technischen Zeitalter« (2007). Seit 1997 gibt Teixeira die Literaturzeitschrift »Relâmpago« (»Blitz«) heraus. Im Rahmen des Projekts »literaturexpress 2000« der Literaturwerkstatt Berlin, bei dem hundert Schriftsteller aus allen europäischen Ländern mit der Bahn quer durch Europa von Lissabon nach Moskau und zurück nach Berlin fuhren, vertrat Teixeira Portugal. 2005 war er Stipendiat des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Der Gedichtband »Einstweilige Autobiografie« erschien im Jahr 2000 zunächst auf Französisch, das portugiesische Original 2001.



»Ich denke, dass ›Einstweilige Autobiografie‹, das jüngste der zahlreichen Werke Teixeiras, sein bisher bestes ist und zwar gerade weil es eine Wende in seinem Schaffen darstellt.«
Pedro Mexia, Diário de Notícias
Über das Buch

Paolo Teixeiras bisheriges lyrisches Schaffen ist eine kritische Bestandsaufnahme unserer Zeit, eine poetische Kartografie Europas mit ständigem Rückblick auf ihre literarische und kulturelle Tradition. Das bezeugen bereits die Titel seiner Werke: »Inventar und Abschied« (1991), »Kunst der Erinnerung« (1992), »Die Entführung Europas« (1994), »Grabmal alter Helden« (1999). Teixeiras Werk versteht sich als eine »Kunst der Erinnerung« in einer historischen Zeit, in der das Geschichtsbewusstsein zunehmend an Bedeutung zu verlieren scheint: »Ich spreche von der gestrigen Welt …« Diese »Nicht-Zeit« nimmt in seinen Gedichten die Gestalt einer Wartezeit oder einer Zeit des Exils an, während der die Poesie ihre Trauerarbeit um die entschwindenden »Zeremonien der alten Welt« vollzieht. Als Kontrapunkt zu dieser Linie empfand Teixeira es als eine besondere Übung, seine persönlichen Erfahrungen zu objektivieren: so in »Einstweilige Autobiografie«. Er selbst sagt dazu: »Lange Zeit empfand ich regelrechten Widerwillen gegen Bekenntnispoesie und Narzissmus in all seinen Spielarten. Erst als ich nordamerikanische Lyriker wie Robert Lowell und Sylvia Plath las und sah, wie sich bei ihnen buchstäblich das pralle Leben darbot, ohne die geringste Scham, aber auch ohne die geringste Selbstgefälligkeit, stellte ich mich der Herausforderung zu beweisen, dass auch ich die Fähigkeit besaß, über mich selbst zu schreiben.«
Textauszug:



AQUÁRIO

Acordava num quarto onde tudo era baço.
Parecia imerso no silêncio de um aquário.
Atravessava-o o veleiro da luz da tarde
onde as cortinas, ofegantes, eram um peito
debatendo-se por um pouco mais de vida.

Tudo o mais partira sem deixar recado.
Era o dia depois de Hiroshima. O dia
em que o urânio tomara o homem mais leve
que o ar. E, surdo, o mundo decidira
validar a minha solidão em testamento.

Eu era o filho pródigo de volta à casa vazia.
Arrombava a porta para achar na casa
a minha própria perda. Turva, a luz
inundava de uma tristeza imensa
Lázaro a meio das sombras do cenário.

Era o dia depois da morte de Jesus Cristo.
E Judas avançava por um gume cego.
Se o vulto do Espírito Santo o contivesse
o halo da luz na janela, pedir-lhe-ia
de volta a concessão da inocência.

Mas o meu chamamento repercutia como um eco.
Gravitava em tomo de mim como um segredo.

AQUARIUM

Ich erwachte in einem Zimmer, wo alles trüb war.
Es schien wie versunken in die Stille eines Aquariums.
Durchquert wurde es vom Segelschiff des Nachmittagslichts
mit keuchenden Vorhängen wie eine Brust,
die um ein wenig mehr Leben rang.

Alles Weitere war ohne Hinterlassen einer Nachricht fortgegangen.
Es war der Tag nach Hiroshima. Der Tag,
an dem das Uran den Menschen leichter gemacht hatte
als Luft. Und die Welt, taub wie sie war, hatte beschlossen
meine Einsamkeit testamentarisch für gültig zu erklären.

Ich war der verlorene Sohn, der ins leere Haus zurückkehrte.
Ich brach die Tür ein und fand im Haus
den Verlust meiner selbst. Trübes Licht
durchströmte Lazarus mit ungeheuerer Trauer –
inmitten der Schatten der Kulisse.

Es war der Tag nach dem Tod Jesu Christi.
Und Judas rannte blindlings ins Messer.
Hielte die Gestalt des heiligen Geistes ihn auf –
dieser Lichtring auf dem Fenster – erbäte ich von ihm
die Gewährung der Unschuld zurück.

Doch mein Rufen prallte wie ein Echo ab.
Es umkreiste mich wie ein Geheimnis.

© 2008 Elfenbein Verlag

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