Der Apothekersohn und ehemalige Pharmaziestudent Ulf Laupeyßer erfindet sich den Kleinbürgerspross Claus Falbin. Und je mehr dieser an Konturen gewinnt, desto mehr gerät der Erfinder in den Hintergrund, wird blasser. Schließlich bleibt es offen, ob nicht Falbin der Erfinder Laupeyßers ist. Jetzt beginnen die beiden, einander ähnlich zu werden, vor allem in ihrem Umgang mit der Sprache. In diesem Vollzug taucht der Erzähler auf; er ist eingesponnen ins Handlungsgewebe — zum Schluss übernimmt er gar das Ziel der beiden Hauptpersonen: nämlich abzureisen, neu anzufangen. Der Held des Romans fühlt sich belastet: Vergangenheit wirkt sich als Hypothek aus und als ein Unruhefaktor, der die Zeiten durcheinanderbringt, das Gemüt verwirrt und auch die Identitätssuche von Laupeyßer-Falbin-Icherzähler immer wieder stört. — »Die Verwirrung des Gemüths«, Herbsts Debüt aus dem Jahr 1983, die unmittelbare Vorgeschichte des Romans »Wolpertinger oder Das Blau«, der in die »Anderswelt«-Trilogie mündet, erscheint hier in einer neuen, revidierten Fassung. Damit ist Herbsts episches Hauptwerk wieder lieferbar:
»Wolpertinger oder Das Blau«
»Thetis. Anderswelt«
»Buenos Aires. Anderswelt«
»Argo. Anderswelt«
Paketpreis für alle fünf Romane (Preisersparnis insgesamt: € 26,— [D]):
€ 139,— [D] / € 143 [A] / sFr 189
Alban Nikolai Herbst (geb. 1955) studierte u. a. Philosophie und arbeitete als Devisenbroker. Die literarische Bühne betrat er als 26-Jähriger. Seit dem ersten Erscheinen des Romans »Wolpertinger oder Das Blau« (1993) zählt er zu den wichtigsten deutschsprachigen Vertretern der postmodernen Literatur und wurde mit zahlreichen Stipendien und Preisen (u. a. Grimmelshausen-Preis) geehrt. Zwischen 1998 und 2013 erschien seine sprachlich und kompositorisch außergewöhnliche »Anderswelt«-Romantrilogie.
Ebenfalls lieferbar:
»Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen« (2003)
»Das bleibende Thier. Bamberger Elegien« (2011).
Laupeyßer verlegte sein Leben auf die Nacht, seit aufgrund der Kündigung keine Notwendigkeit zum frühen Aufstehen mehr bestand. So gab es keinen Rohbau mehr, kein Skelett, keine Maximen, nur noch den Pappkarton und die in ihm angehäuften Fragen; dazu, also vom 15. 8. an, die geräumte Wohnung, in der es sich so ganz ohne Bett schlecht schlafen ließ, nur in eine Steppdecke gewickelt, sprichwörtlich auf dem Boden in der Ecke neben dem Ofen. Höchstens tagsüber war der Schlaf möglich, wenn die Helligkeit, die in diesen gleichsam Rohbau fiel, Laupeyßer davon abhielt, die Realität für Wirklichkeit zu halten. Es bereitete ihm geradezu Freude, eine hohl aufplatzende Lust, sich in der geleerten, wie ausgetrunkenen Wohnung aufzuhalten, am Fußboden hockend, um sich starrend, sich erinnernd, fast lallend in seinen Selbstgesprächen. Wie es früher ausgesehen hatte, erzählte er sich, als es die Einrichtung noch gab. Die Blumentöpfe kauerten nun ebenfalls am Boden, in ungleichmäßigen Grüppchen auf dem PVC-Belag verteilt. Laupeyßer pflegte sie hingebungsvoll, wusch dreimal täglich die wächsernen und haarigen Blattlappen ausgiebigst mittels in Wasser getünchter Wattebällchen. Das bekam den Pflanzen gut, sie wuchsen enorm, als spürten sie, wie sehr sie Platz bekommen hatten. Rankend nestelten dünne Arme über den Boden, was Laupeyßer dermaßen angenehm war, dass er allen Ernstes überlegte, ob er nicht von dem Flecken Gras im Hinterhof ein wenig hochholen, Blumenerde im Zimmer aufschütten und eine Grasmatte darüberpflanzen sollte. Er unterließ es, doch mehr aus Lethargie denn Einsicht.
»Nicht oft hat ein Autor das Lebensgefühl seiner Zeitgenossen so vielfältig eingefangen.«
(Neue Zürcher Zeitung)
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