Mit der ersten deutschen Übersetzung der Romanreihe »Almosen fürs Vergessen« kann Simon Raven nun endlich auch hierzulande entdeckt werden. Mal mehr, mal weniger locker mit dem Lebensweg des englischen Berufssoldaten und Schriftstellers Fielding Gray verbunden, der nach einem Indienaufenthalt auch auf Zypern und in Deutschland stationiert ist, umspannen die zehn jeweils eigenständig lesbaren Romane erzählerisch die Jahre 1945 bis 1973. Sie sind miteinander verwoben durch die Mitglieder einer Gruppe privilegierter Internatsschüler, die sich im ersten Band »Fielding Gray« eben anschicken, in verschiedene politische, publizistische, wirtschaftliche und militärische Schaltstellen des britischen Gesellschaftslebens aufzurücken. Berührend, unerschrocken und höchst unterhaltsam erzählt Simon Raven davon, wie »menschliches Bemühen und Wohlwollen beständig dem heimtückischen Wirken von Zeit, Zufall und der übrigen Menschheit ausgesetzt sind«. Ein elitäres Bildungssystem, der Zusammenbruch des Britischen Reiches, Suezkrise und Kalter Krieg, Atomwaffenentwicklung und Studentenrevolte bilden den Hintergrund, vor dem die moralische Hybris und die menschlichen Schwächen der britischen Oberschicht und der zunehmend auch tonangebenden »Upper Middle Class« ins Visier genommen werden.
Die Ausgabe startete im Frühjahr 2020 mit dem Roman »Fielding Gray« in der Übersetzung von Sabine Franke und wird in halbjährlichem Rhythmus durch jeweils einen weiteren Roman der Reihe ergänzt, bis sie im Herbst 2024 abgeschlossen sein wird. Subskribenten der Ausgabe wird ein Preisnachlass von € 3,— je Band gewährt.
Man schreibt das Jahr 1967 am altehrwürdigen Lancaster College der Universität Cambridge, und die Zeichen stehen auf Sturm. Zu den üblichen Grabenkämpfen zwischen den Professoren kommen die Forderungen einer politisierten Studentenschaft. Angeführt wird die Rebellion von Hugh Balliston, einem begabten jungen Intellektuellen, der auch die attraktive Hetta für seine Sache eingespannt hat. Doch Hugh gerät zunehmend unter den Einfluss eines externen Agitators, der ihn zu immer drastischeren Aktionen treibt. Als anlässlich eines Madrigalkonzertes der Kapelle des Colleges, einem der bedeutendsten Sakralbauten des Landes, eine rabiate Entweihung und ein moderner Bildersturm droht, geht es mit einem Mal nicht mehr nur um die Überwindung oder Bewahrung alter Traditionen und Glaubenssätze, sondern um Leben und Tod.
Im siebten Band seiner Romanreihe »Almosen fürs Vergessen« widmet sich Simon Raven mit unverkennbarer Verehrung für den historischen Schauplatz auf gewohnt unterhaltsame und bissige Weise einem weiteren Meilenstein der britischen Nachkriegsgeschichte.
Simon Raven (1927—2001) besuchte als Spross einer Strumpffabrikantenfamilie die elitäre Charterhouse School, von der er 1945 wegen homosexueller Handlungen relegiert wurde. Unter seinen Mitschülern waren u. a. James Prior (später Minister im Kabinett von Margaret Thatcher) sowie der spätere Herausgeber der »Times«, William Rees-Mogg. Beide hat er in der Romanreihe »Almosen fürs Vergessen« literarisch verewigt. Nach seinem Militärdienst, den Raven als Offiziersanwärter in Indien ableistete, studierte er ab 1948 am King’s College in Cambridge Altphilologie. Er wurde Vater eines Sohnes und heiratete widerwillig. In finanzielle Schwierigkeiten geraten, trat er erneut in die Armee ein, wurde in Deutschland und in Kenia stationiert, quittierte den Dienst aber schließlich, um eine unehrenhafte Entlassung wegen Wettschulden abzuwenden. Fortan widmete er sich der Schriftstellerei und arbeitete als Literaturkritiker. Der Verleger Anthony Blond nahm ihn 1958 unter der Bedingung, mindestens 50 Meilen von Londons Vergnügungsstätten entfernt zu wohnen, unter Vertrag — ein Arrangement, das sich drei Jahrzehnte bewährte. Ein ausschweifender Lebenswandel, kühne Meinungen, seine offen ausgelebte Bisexualität und die Tatsache, dass er das Material für seine Bücher aus dem unmittelbaren Freundeskreis gewann und mit freizügigen Sexszenen und scharfzüngigen Urteilen über die Gesellschaft kombinierte, verschafften ihm einen Ruf als Schandmaul unter den englischen Nachkriegsautoren. Gleichwohl wurde er von namhaften Kollegen wie etwa Anthony Powell nicht nur als Literaturkritiker, sondern auch als Literat geschätzt. Sein 10-bändiger Romanzyklus »Alms for Oblivion« (1964—1976) wird heute mit dem Werk von Lawrence Durrell, Graham Greene, Anthony Powell und Evelyn Waugh verglichen und Raven als »einer der brillantesten Romanciers seiner Generation« bewertet (Patrick Newley). Bekannt wurde Raven auch durch die Verfilmung von Trollopes »The Pallisers« (1974) und die Fernsehserie »Edward and Mrs. Simpson« (1978) sowie die Mitarbeit am Drehbuch für den James-Bond-Film »Im Geheimdienst Ihrer Majestät« (1969). Dem Vorwurf, ein Snob zu sein, begegnete er mit dem Hinweis, er schreibe »für Leute, die sind wie ich: gebildet, weltgewandt und skeptisch«.
»Ein höchst ambitioniertes und auch höchst unterhaltsames Erzählprojekt ... eine der sarkastischsten Romanfolgen der englischen Literatur« (Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung)
»Ravens Charaktere kommen einem schon bald wie alte (meist verruchte) Freunde vor.« (Peter Hitchens)
»Ein schönes Lesevergnügen ... ein Autor mit Kultpotenzial.« (Michael Angele, Der Freitag)
»Raven vollbringt in ›Fielding Gray‹ ein kleines Meisterstück.« (Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung)
»Raven schockiert, weil er Beschämendes mit Eleganz würdigt — und Würdevolles beschämend darstellt.« (Stephen Fry)
»Raven denkt wie ein Halunke, aber er schreibt wie ein Engel.« (The Guardian)
»Der vergnüglichste Romanzyklus, der jemals geschrieben wurde.« (A. N. Wilson)
»Selbstbewusst, weltgewandt, skurril... Ein höchst unterhaltsamer Erzählstil.« (Sunday Times)
»Hier steht was Komisches«, sagte Mrs. Constable, mit der Billingsgate Press wedelnd, »soll ich’s dir vorlesen?«
»Nein.«
»Da steht: ›Die größte Passion von Professoren ist das Bellen und Beißen, und die am Lancaster College in Cambridge haben sich unlängst auf ein paar wirklich gammelige alte Knochen gestürzt, an denen sie nun herum zerren. Angesichts eines Überschusses von einer Viertelmillion Pfund zanken sich die gelehrten Ordinarien wie eine Meute von Gorgonen — darum, ob sie für eine Handvoll zusätzlicher Studenten eine Unterkunft schaffen oder mehr Geld für die Chorknaben ausgeben sollen, die in letzter Zeit die Töne nicht mehr ganz so sauber treffen. Für den Fall, dass noch andere meiner Meinung sind, dass es doch ganz schön viel ist, 500 000 Pfund für die Verbesserung der Gregorianischen Gesänge hinzublättern...‹«
Constable hatte gerade angehoben, seiner Frau (ohne weitere Umschweife) zu sagen, dass sie still sein solle, als ihr Vortrag von einem Klopfen an der Tür zum Frühstückszimmer unterbrochen wurde. Auf die Bitte hin, einzutreten, erschien der Oberste Pförtner, im Frack (da es der Tag eines Heiligenfestes war) und mit seinem Zylinder in den Händen.
»Herr Provost... Madam“, sagte der Oberste Pförtner mit einer Verbeugung. »Es hat jemand unflätige Dinge auf den Großen Rasen geschrieben. Sie, Sir, muss ich bitten zu kommen und es zu lesen. Sie, Madam, als Dame, muss ich warnen, Ihren Blick nicht dorthin zu wenden.«
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