Ernst Blass: in kino veritas
Ernst Blass:
»in kino veritas«
Essays und Kritiken zum Film. Berlin 1924—1933
Ausgewählt, mit einem Nachwort versehen und herausgegeben von Angela Reinthal
Mit einem Geleitwort von Dieter Kosslick
2019, geb., bedr. Vorsatz,
Lesebändchen, 280 S.
€ 22 [D] / € 22,60 [A] / sFr 26,30
ISBN 978-3-96160-008-3

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Buch

Das Berlin der 1920er und frühen 30er Jahre bildet den schillernden Hintergrund der hier zusammen­gestellten ­Essays und Kritiken zum Film aus der Feder des Lyrikers Ernst Blass, an dessen 80. Todestag am 23. Ja­nuar 2019 erinnert werden soll. Das Spektrum der Texte reicht von kriti­schen Betrachtungen zur Filmtechnik über ergreifende Nachrufe, Rezensionen, Selbstreflexionen als Filmkritiker bis hin zu Verrissen. Sie alle sollen Blass als kompetenten, sensiblen, aber auch ironisch-saloppen Autor zeigen, dessen Artikel — in denen seine Heimatstadt Berlin eine bemerkenswerte Rolle spielt — mit den wesentlich bekannteren Schriften zum Film von Siegfried Karacauer durchaus in einem Atemzug genannt werden können. — Dem von der Ernst-Blass-Forscherin Angela Reinthal zusammengestellten Band sind ein Geleitwort des Berlinale-Direktors Dieter Kosslick sowie Abbildungen einiger zeitgenössischer Filmplakate beigegeben.

Autor

Ernst Blass (1890–1939) entstammte einer jüdischen Fabrikantenfamilie aus Berlin und lernte während seines Jurastudiums die Dichter Jakob van Hoddis und Georg Heym kennen, mit denen er im »Neopathetischen Cabaret« und dem »Neuen Club« Kurt Hillers auftrat. Schon früh erschien seine Lyrik in den expressionistischen Zeitschriften »Die Aktion«, »Der Sturm« und »Die Fackel«. Mit dem Gedichtband »Die Straßen komme ich entlang geweht« (1912) wurde er berühmt. In Heidelberg, wo er sein Studium abschloss, gab er als 24-Jähriger die literarisch-philoso­phische Zeitschrift »Die Argonauten« heraus. Bis zu seinem Schreibverbot 1933 verfasste er vor allem für die Berliner Tagespresse zahlreiche Feuilletons.

Auszug

Vor einem festlich geschmückten Publikum, dessen Stimmung durch die Anwesenheit einiger Würdenträger noch besonders freudig gehoben wurde, lief gestern im Primuspalast zum erstenmal der Kolossalfilm »Quo vadis«, den die Unione Cinematographica Italiana in Rom hergestellt hat. Das Manuskript ist von den Regisseuren Georg Jacoby und Gabrie­lino d’Annunzio nach dem Roman des Polen Sienkiewicz eingerichtet. Der Film ist ein Massenspektakel, das nicht sonderlich bewegt, aber auch nicht langweilt, und hat den Vorteil, den bei anderer Gelegenheit eine Film­annonce folgendermaßen bezeichnete: »Dieser Film erspart dem Zuschauer die zeit­raubende Lektüre des unvergleichlichen Romans.« Das Rom Neros ist hier aufgebaut ungefähr im Stil unserer Nationalgalerie, und die auftretenden Römer machen den Eindruck außerordentlich später Römer. Sie könnten etwa sagen: in kino veritas! Die Hauptpunkte der Handlung sind: Nero, von Jannings verkörpert, läßt die Muränen seines Teichs mit dem Fleisch von Sklaven füttern; ein großes Gelage mit Notzuchtversuchen an der Christin Lygia; Auspeitschung der Sklavin Eunica; der Brand Roms und die Christenverfolgung; die lebenden Fackeln in den kaiserlichen Gärten; die Märtyrer im Zirkus mit den Löwen, eine junge Mutter vor den Augen ihres Kindes von einem rasenden Wagen durch die Arena geschleift, Lygia auf dem Rücken eines Auerochsen gebunden. Die Regie hat diese Sadismen gedämpft, glücklicherweise, manchmal aber zu sehr, wenn nämlich der wilde Stier den Eindruck eines harmlosen Öchsleins macht. Überhaupt sieht alles nicht so grauslich aus, wie es klingt, und geht für die Hauptpersonen überraschend gut aus [...]
(1924)

© 2019 Elfenbein Verlag

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