Stolz: Während mich die Stadt erfindet
Rainer Stolz:
»Während mich die Stadt erfindet«
Gedichte


2007, Ln., 138 S.
€ 12 [D] / € 12,40 [A] /
sFr 21,20
ISBN 978-3-932245-89-3



Textauszug
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Rainer Stolz (geb. 1966 in Hamburg) lebt als freier Autor in Berlin. Als Mitbegründer des Lyrikkreises »Die Freuden des jungen Konverters«, der über Jahre ein Forum der Berliner Lyrikszene war, gab er gemeinsam mit Stephan Gürtler 2003 die Anthologie »Feuer, bitte! Berliner Gedichte über die Liebe« heraus. Im Stadtmagazin »tip« richtete er die Rubrik »Lyrik Lounge« ein. Neben anderen Gemeinschaftsprojekten schreibt er an Kettengedichten (Renshi) mit, z. B. im Rahmen des Poesiefestivals Berlin 2006. Rainer Stolz erhielt für seine Lyrik zahlreiche Stipendien, u. a. das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste und des Berliner Senats (2005), das Stipendium der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen (2006) sowie das Berliner Arbeitsstipendium (2007).
Seit 1999 erscheint sein Werk u. a. in den Literaturzeitschriften »ndl« und »manuskripte« sowie in Anthologien wie »Lyrik von jetzt« (DuMont).



»Der Berliner Rainer Stolz hat das kürzeste Gedicht geschrieben. Es heißt ›Der Anzug‹ und geht so: ›Mir steht der Anzug. / Der Anzug sitzt. / Er fällt gut.‹ Irgendwie sitzt das und fällt gut.«
Ulrich Greiner, Die Zeit, über das »Jahrbuch der Lyrik 2002«
Über das Buch

Rainer Stolz, der als »Lyriker mit Witz und Biss« (Berliner Zeitung) in der Literaturszene Berlins bereits eine feste Größe ist, legt sein lyrisches Debüt vor. In seinen Gedichten, die jenseits von Pathos oder Coolness reich sind an Zwischentönen, nimmt er die großen europäischen Städte, vor allem aber Berlin, in den Blick und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Nebensächlichkeiten, das scheinbar Kleine, auf originelle, pointierte Momentaufnahmen des Alltagslebens. Feinfühlig, aber auch schonungslos beleuchtet Rainer Stolz die unscheinbaren Zumutungen der heutigen Welteinrichtung sowie deren Bruchstellen und Spielräume, spürt den oftmals heiklen, widersprüchlichen Lebensverhältnissen der Menschen in der Großstadt nach, mit all ihren Ambivalenzen, Konflikten, Täuschungen, Sehnsüchten und Glücksmomenten. Die Gedichtsammlung »Während mich die Stadt erfindet« erlaubt somit auch generelle Einblicke in die gesellschaftlichen und kulturellen Dimensionen des urbanen Lebens – und dies, indem sie beim Lesen eine bemerkenswerte Sogwirkung entfaltet.


Textauszug:

Eine Stadt, in der Berührungen
versehentlich passieren
lässt Blüten riechen nach Klischee.
Auf einem Briefkasten grüne Pumps –
danach ein Sirenengesang
aus einer Gegensprechanlage.
Berlin ist eine Trailershow.
Studenten, die agitieren
für Zeitungsabos.
Ein schöner Mann ohne Feuer
entpuppt sich als Statist.
Tauben probieren, trotz
Stacheln auf Leuchtbuchstaben
über den Köpfen der Menge
ihre Geschäfte zu machen.
Selten glückt hier ein Impulskauf.
Dann aber fühlst du dich mündiger
und verbrauchter, sagst im Stil »Ciao«
zum jungen Auto mit der Frau
das dich beinah überfahren hätte.
In der Bahn: »Das tote Busenwunder!«
und die netten Schwiegersöhne
lassen ihre Bierdosen lachen.
Der Bahnmusikant bricht ab.
Aus Versehen steigst du aus.
Der Film läuft.

© 2007 Elfenbein Verlag

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