Herbst: Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen
Alban Nikolai Herbst:
»Die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen«
Radio-Fantasien über Aragon, D'Annunzio, Powys, Pynchon und eine Poetik auf CD*
2004, kart. 156 S.
€ 17 [D] / € 17,50 [A] / sFr 24,60
ISBN 978-3-932245-63-3
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Buch

Anfangs beschäftigte sich Alban Nikolai Herbst in seinen »Fantasien« mit denjenigen Autoren der Moderne, die sein eigenes poetologisches Denken geprägt haben. Nach und nach ergänzten sich diese Arbeiten dann um solche, in denen ihn plötzlich ganz andere Dichter interessierten, etwa Powys. Allen ist aber gemein, dass sie den Komplex Leben/Dichtung, Realität/Fiktion in ihrem erzählerischen Fokus haben.

Autor

Alban Nikolai Herbst (geb. 1955) studierte Philosophie und Geschichte und arbeitete zeitweilig als Devisenbroker. Die literarische Bühne betrat er bereits als 26-Jähriger. Seit dem Erscheinen des Romans »Wolpertinger oder Das Blau« (1993) zählt er zu den wichtigsten deutschsprachigen Vertretern der postmodernen Literatur und wurde mit zahlreichen Stipendien und Preisen (u. a. Grimmelshausen-Preis) geehrt. 1998 erschien mit »Thetis« der erste Teil seiner sprachlich und kompositorisch außergewöhnlichen »Anderswelt«-Romantrilogie, die mit »Buenos Aires« 2001 ihre Fortsetzung fand und mit »Argo« abgeschlossen wurde. Im Elfenbein Verlag erschien zudem der Gedichtband »Das bleibende Thier. Bamberger Elegien« (2011).

Auszug

Sprecher 1: Es wird uns nicht verziehen, umsonst gelebt zu haben.
Sprecherin: Das hat er gesagt? Das sollte man sich merken. Es wird uns nicht verziehen, umsonst gelebt zu haben.
Sprecher 2: Die Sozialversicherungsnummer ist insofern ein Verbrechen. Der geordnete Tagesablauf ist es. Die Anpassung. Die soziale Unauffälligkeit. Das Meldegesetz. Dagegen hat D’Annunzios Leben gestanden. Nun gut, Faschist soll er gewesen sein. Behaupten die einen. War er’s? Unfaßbar verkitscht sei er, behaupten die andren. Ist er das wirklich? – Auffällig ist nur, daß alledie, die Literatur für einen Akt der Buße halten, sich einig darin sind, D’Annunzio sei ein Ärgernis. Ich finde, daß dies allein schon genügt, um dem Manne beizuspringen, – nicht erbittert, nein, aber wie es ihm zukommt: mit beschwingter Leidenschaft.
Sprecher 1: Die dunkle Masse der Zypressen warf einen geheimnisvollen Schatten, sie verströmte einen religiösen Frieden und einen fast menschlichen Liebreiz, wie ein klares wohltuendes Wasser, das dem harten Fels entspringt. Die gleichmäßige Regelmäßigkeit der Bäume und das matte Weiß des Marmors gaben der Seele ein Gefühl tiefer und sanfter Ruhe.
Sprecher 1: Irgend ein verhülltes Glück ging dort vorüber, ohne daß es jemandem begegnete, oder es erkannte.
Sprecher 2: Du weißt nicht, wer ich bin, ich weiß nicht, wie du heißt, / Doch hätt ich dich geliebt und weiß, daß du es weißt.
Sprecher 1: Aber wichsen ist eine Sünde. Nicht wegen des Keuschheitsgebots, sondern weil es Kapitulation bedeutet.
(Pause)

© 2004 Elfenbein Verlag
* Auf der beigefügten CD wird Musik der CD "Sensitive Disruption" der Gruppe "Visions of Excess", komponiert von Paul Browse und Nirto Karsten Fischer, zitiert.

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